Nationaler Frontiers Planet Prize für Robert Arlinghaus
Am Earth Day am 22. April 2025 wurden die 19 Nationalen Champions des Frontiers Planet Prize bekannt gegeben, ein weltweit bedeutender Forschungspreis für Nachhaltigkeit. Robert Arlinghaus, Fischereiprofessor am Leibniz-Institut für Gew?sser?kologie und Binnenfischerei (IGB) und an der Humboldt-Universit?t zu Berlin, und sein Team werden für ihre wegweisende Science-Publikation über die Wirksamkeit der ?kologischen Aufwertung von Gew?ssern auf die Fischbest?nde gewürdigt.
Professor Jean-Claude Burgelman, Direktor des Frontiers Planet Prize, sagte: ?Angesichts der immensen Bedrohungen für die Menschen und den Planeten brauchen wir mutige, transformative L?sungen, die sich auf Fakten stützen und wissenschaftlich fundiert sind. Innovative und skalierbare L?sungen sind der einzige Weg, um ein gesundes Leben auf einem gesunden Planeten zu gew?hrleisten.“
Eine dieser L?sungen, die zur Kategorie ?Naturbasierte L?sungen und Wiederherstellung von ?kosystemen“ geh?rt, ist in der Studie von Prof. Robert Arlinghaus und seinem Team beschrieben: Die Revitalisierung von Seen durch die Schaffung von Flachwasserzonen und das Einbringen von Totholz. Weltweit werden Millionen von Fischen in Gew?sser ausgesetzt, um die natürlichen Fischbest?nde zu st?rken. Dass diese sogenannte Fischbesatz-Praxis nicht immer erfolgreich ist und wie es besser geht, zeigt die in der Fachzeitschrift Science erschienene Studie. Die Besonderheit der Untersuchung von Arlinghaus und seinem Team ist unter anderem die enge Verbindung von Forschung und Anwendung und die Durchführung von wiederholten Experimenten auf der Ebene ganzer Seen in Zusammenarbeit mit der Angelpraxis.
Mehr Lebensraum ist besser als mehr Fische
Das Forschungsteam hat in einem Vorher-Nachher-Kontroll-Experiment über sechs Jahre in 20 Baggerseen verglichen, wie sich das Aussetzen von Fischen und die Aufwertung der Lebensr?ume auf die Fischbest?nde auswirken. ?Das war ein einzigartiger Freilandversuch, in dem wir in enger Zusammenarbeit einer Vielzahl von Angelvereinen auf der Ebene des gesamten ?kosystems mit verschiedenen Bewirtschaftungsvarianten experimentiert haben. So ein gro?es, wiederholtes und vor allem kontrolliertes Ganzseeexperiment gab es in dieser Form bisher nicht. Es freut mich sehr, dass unsere Forschungsarbeit nun mit dem Nationalen Frontiers Planet Prize ausgezeichnet wurde“, sagt der Initiator und Koordinator des Projekts Professor Robert Arlinghaus.
??ber einen Zeitraum von sechs Jahren wurden rund 160.000 Fische und viele andere Tier- und Pflanzenarten vor und nach Ma?nahmendurchführung beprobt, um zu untersuchen, wie die jeweiligen Organismengruppen auf die Schaffung von Lebensr?umen oder das Einsetzen von insgesamt 40.000 einzeln markierten Fischen reagieren“, erg?nzt der Erstautor der Studie, Prof. Johannes Radinger, ehemaliger Wissenschaftler der Arbeitsgruppe von Prof. Arlinghaus und jetzt Professor an der 三亿体育·(中国)官方网站 Magdeburg-Stendal. ?Die Studie zeigte, dass ein ?kosystembasiertes Management, insbesondere die Schaffung von Flachwasserzonen, den Fischbestand in den Seen und die Reproduktion von Fischen nachhaltig erh?hte und auch die Vielfalt anderer Organismengruppen wie Libellen oder Wasserpflanzen f?rderte“, erl?utert Dr. Sven Matern, geteilter Erstautor der ausgezeichneten Studie und ehemaliger Doktorand von Prof. Arlinghaus. Die im Fischschutz g?ngige Praxis des Fischbesatzes, an der viele Angelvereine aber auch andere Naturschutzakteure weltweit h?ufig festhalten, ist in dem Versuch hingegen fehlgeschlagen. Das Einbringen von Totholz als Strukturelement zeigte gew?sserspezifisch und artabh?ngig positive Effekte auf Fische und andere Organismen, war aber gegenüber der Schaffung von Flachwasserzonen weniger erfolgreich.
Angelvereine als wichtige Partner
Das von den beiden Ministerien BMBF und BMUV sowie dem Bundesamt für Naturschutz in den Jahren 2016 bis 2022 finanzierte Forschungs- und Umsetzungsprojekt BAGGERSEE, das Grundlage der Science-Publikation war, wurde in enger Zusammenarbeit mit Dutzenden von Angelvereinen im Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) durchgeführt. Hunderte Personen aus der Angelpraxis waren an der Umsetzung der Managementma?nahmen und der Datenerhebung beteiligt. Fischereibiologen des AVN planten und koordinierten die Umsetzung der Ma?nahmen. ?Die Ergebnisse haben direkte Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Angelvereine Seen bewirtschaften. Aktuell l?uft ein Vermittlungsprojekt als Anschluss, in dem die Ergebnisse deutschlandweit an Angelvereine über die Projektregion Niedersachsen hinaus kommuniziert werden“, sagt Prof. Thomas Klefoth von der 三亿体育·(中国)官方网站 Bremen, der das BAGGERSEE-Projekt zusammen mit Prof. Arlinghaus erdacht und ehemals als Fischereibiologe des AVN koordiniert hat.
Sü?wasserfische sind gef?hrdet
Sü?wasserfische geh?ren zu den am st?rksten gef?hrdeten Wirbeltieren weltweit. In Deutschland beispielsweise gilt gem?? der Roten Liste der Sü?wasserfische jede zweite Art als gef?hrdet. Einer der Hauptgründe ist der Verlust an angemessenem Lebensraum. Fischrückg?nge haben weitreichende Folgen für die Gew?sser sowie die Erwerbs- und Angelfischerei. Wirksame Erhaltungs- und Wiederherstellungsma?nahmen sind erforderlich, um den Fischrückgang umzukehren. ?Ein vielversprechender Ansatz ist das ?kosystembasierte Management, das darauf abzielt, wichtige ?kologische Prozesse, Lebensr?ume und Beziehungen zwischen Arten zu verbessern oder wiederherzustellen, anstatt sich auf die Beseitigung einzelner Stressoren oder die Unterstützung einzelner Arten nur über Fischbesatz zu konzentrieren“, sagt Robert Arlinghaus. Dieser umfassende Ansatz ist jedoch oft kostspielig und mit hohen bürokratischen Hürden verbunden.
?kosystembasiertes Management lohnt sich
Politische Entscheidungstr?ger z?gern daher, in ?kosystembasiertes Management zu investieren, solange es keine soliden wissenschaftlichen Belege für seine Wirksamkeit gibt. ?Mit unserer gro?en experimentellen Feldstudie, die auch Kontrollgew?sser einbezog und so belastbare Ergebnisse hervorbrachte, haben wir die Erfolgsaussicht ?kosystem-bezogener Ma?nahmen nun auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt. Zentral ist, dass die Verbesserung der ?kosysteme die wichtigsten beschr?nkenden Habitate umfasst. In Baggerseen sind das Flachwasserzonen, in anderen Gew?ssertypen k?nnen aber auch andere Habitate wichtiger sein, wie z. B. die Wiederherstellung von Auen in Flie?gew?ssern“, erl?utert Robert Arlinghaus.
Nationalen Champions mit Chance auf Millionenf?rderung
Die Nationalen Champions für wissenschaftliche Durchbrüche im Bereich Nachhaltigkeit wurden von einer Jury aus 100 renommierten Nachhaltigkeitsforscher*innen weltweit unter Vorsitz von Professor Johan Rockstr?m vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) ausgew?hlt. Die Nationalen Champions werden nun in die Endrunde des Wettbewerbs einziehen, in der im Juni 2025 drei internationale Champions vorgestellt werden, die jeweils 1 Mio. USD für ihre weitere Forschung erhalten.
Quelle
Radinger, J., Matern, S., Klefoth, T., Wolter, C., Feldhege, F., Monk, C.T., Arlinghaus, R. 2023. Ecosystem-based management outperforms species-focused stocking for enhancing fish populations. Science, 379, 6635, 946-951. https://www.science.org/doi/10.1126/science.adf0895
?ber das Projekt
BAGGERSEE (www.baggersee-forschung.de) war ein Gemeinschaftsprojekt des Leibniz-Instituts für Gew?sser?kologie und Binnenfischerei (IGB), des Anglerverbands Niedersachsen e. V. (AVN) und der Technischen Universit?t Berlin (TU), in Kooperation mit der 三亿体育·(中国)官方网站 Bremen (HSB). Das Forschungs- und Umsetzungsprojekt wurde bis Ende 2022 gef?rdert im Rahmen der gemeinsamen F?rderinitiative ?Forschung zur Umsetzung der Nationalen Biodiversit?tsstrategie“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Koordinator ist Prof. Dr. Robert Arlinghaus vom IGB und der Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU). Details zur Arbeitsgruppe: www.ifishman.de.
?ber das Leibniz-Institut für Gew?sser?kologie und Binnenfischerei (IGB)
Die Arbeiten des IGB verbinden Grundlagen- mit Vorsorgeforschung als Basis für die nachhaltige Bewirtschaftung der Gew?sser. Das IGB untersucht dabei die Struktur und Funktion von aquatischen ?kosystemen unter naturnahen Bedingungen und unter der Wirkung multipler Stressoren. Forschungsschwerpunkte sind unter anderem die Langzeitentwicklung von Seen, Flüssen und Feuchtgebieten bei sich rasch ?ndernden Umweltbedingungen, die Entwicklung gekoppelter ?kologischer und sozio?konomischer Modelle, die Renaturierung von ?kosystemen, die Biodiversit?t aquatischer Lebensr?ume und die Nachhaltigkeit der Binnenfischerei. www.igb-berlin.de
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Robert Arlinghaus
E-Mail: robert.arlinghaus@igb-berlin.de
Forschungsgruppe IFishMan: www.ifishman.de