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?ber unsere Verh?ltnisse

In diesem Jahr ist der Earth Overshoot Day am 28. Juli. Ab dann h?ufen wir ?kologisch Schulden an. Anthropologische Erkenntnisse k?nnen uns helfen umzusteuern.

Trockene Landschaft
Sonnenuntergang über mediterraner Landschaft
Foto: Pixabay

Herr Professor Niew?hner, am 28. Juli 2022 ist der Earth Overshoot Day. Was hat es mit diesem Datum auf sich?

Prof. Niew?hner: An diesem Tag hat die Menschheit jene Ressourcen verbraucht, die unser ?kosystem uns innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann. Das l?sst sich an vielen konkreten Beispielen berechnen. Wir wissen zum Beispiel, wie viel Wald global existiert und wie viel davon in diesem Jahr bereits abgeholzt wurde. Wenn wir innerhalb einiger Monate mehr abholzen, als innerhalb eines Jahres nachwachsen kann, leben wir ab diesem Punkt über unsere Verh?ltnisse. Das l?sst sich auch in der Agrarwirtschaft oder in der Fischerei berechnen. In sehr vielen Bereichen übersteigt unser Verbrauch die Biokapazit?t der Erde, also unsere natürlichen Ressourcen. Global betrachtet und im Durchschnitt ist das in diesem Jahr am 28. Juli der Fall. Ab dann machen wir ?kologisch sozusagen Schulden. Dieser Tag lag 1971 noch am 21. Dezember und schiebt sich jedes Jahr weiter nach vorne.

Warum befassen Sie als Anthropologe sich mit diesem naturwissenschaftlichen Thema?

Der Raubbau des Menschen an seiner Umwelt ist nicht blo? ein naturwissenschaftliches Thema, sondern auch ein kulturelles Ph?nomen. Die Art, wie wir wirtschaften, wie wir sozial und politisch agieren, verursacht den Umweltwandel und zerst?rt die für uns lebensnotwendige Natur irreparabel. Seit Jahrzehnten wissen wir, dass unsere Lebensweise uns selbst die Lebensgrundlage entzieht, wenn wir nicht umsteuern. Trotzdem haben wir bislang noch nicht im ausreichenden Ma? die Konsequenzen daraus gezogen. Hierzulande halten wir uns zwar für besonders umweltbewusst, doch der deutsche Earth Overshoot Day war in diesem Jahr bereits am 4. Mai. Unser Wissen um naturwissenschaftliche Zusammenh?nge verbindet sich nicht mit Wissen um gesellschaftliche Dynamik. Nur zusammen finden wir aber einen Hebel. Hier kann die Sozialanthropologie helfen, als Brücke zwischen natürlichen und kulturell bedingten Ursachen von Umweltwandel zu vermitteln.

Beeinflusst der Earth Overshoot Day unser ?kologisches Verhalten?

Er schafft eine gewisse Aufmerksamkeit. Das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht für den dringend n?tigen grundlegenden Wandel. Wichtig ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Ressourcenverbrauch und Klimawandel keine abstrakten 三亿体育·(中国)官方网站 sind, sondern uns ganz direkt im Alltag betreffen. Wir haben schon den Punkt überschritten, an dem die Transformation unseres ?kosystems aufzuhalten w?re. Es geht nun darum, diese Entwicklung zumindest abzumildern. Andernfalls werden wir transformiert: Wenn unsere Umweltbedingungen sich rapide verschlechtern, wirkt sich das schmerzhaft auf unsere Lebens- und Wirtschaftsweisen aus. Unsere Spielr?ume werden enger, unser Lebensstandard wird sinken. Erst wenn wir das verinnerlicht haben, wird sich auch unser Verhalten relevant ?ndern.

Was k?nnen wir tun?

Eins hilft in einer Demokratie immer: bewusst w?hlen – politisch, wirtschaftlich und pers?nlich. Im Alltag ist es eine gute Motivation, ?kologisch Sinnvolles mit pers?nlichem Nutzen zu verbinden. Wer Fahrrad f?hrt, mehr Gemüse und weniger Fleisch isst, tut etwas für die Umwelt und für die eigene Gesundheit. Wer Strom spart, spart Geld. Den perfekten ?ko-Alltag k?nnen wir als einzelne in Deutschland zwar schon auf Grund unserer Infrastrukturen nicht wirklich leben. Da ist der ?Grundverbrauch‘ schon h?her, als er eigentlich sein dürfte. Aber wir k?nnen an vielen Stellen etwas besser machen. Neben den Einzelnen müssen auch Politik und Wirtschaft konsequent umsteuern. Erst wenn der Umweltverbrauch überall eingepreist ist, werden wir als Gesamtgesellschaft wirklich ?kologisch handeln. Umwelt, Politik, Wirtschaft und Lebensweisen h?ngen hier eng miteinander zusammen. Und erst, wenn wir diese Zusammenh?nge durchschauen, werden wir auch die Stellschrauben verstehen, die nachhaltigere Lebensweisen erm?glichen.

Die Fragen stellte Lars Klaa?en

Anmerkung: Eine erste Version des Interviews erschien am 1. August 2018.

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