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Wie Wildtiere im digitalen ?konomie-Scheinwerfer

Unser Sommerthema widmet sich dem Eigentum. Wem geh?ren zum Beispiel die Luft, das Klima, unsere St?dte oder das Wasser? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der HU forschen dazu. Folge 5 mit dem ?konomen Prof. Michael C. Burda.

Herr Burda, welche Fragen besch?ftigen Sie als Professor für Volkswirtschaftslehre in Hinblick auf die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung und den Siegeszug der digitalen ?konomie?

Ich frage mich unter anderem: Was ist Wertsch?pfung in einer Volkswirtschaft, in der man teilweise nicht mehr zahlt? Hintergrund ist die Digitalisierung. Wir benutzen Facebook und Google t?glich – und die wenigsten von uns versteht, wie das funktioniert, weil wir keine Geldflüsse sehen. Aber es flie?t natürlich Geld, denn es flie?en Daten und die Daten werden aufbereitet und teilweise ohne unsere Zustimmung weiterverarbeitet. Wir sind abh?ngig von diesen Plattformen und das hei?t, dass sie im ?konomischen Sinne einen Wert haben. Aber es gibt keinen Markt dafür, es ist ein Schattenpreis. Drei Dinge strukturieren meine Denkweise in Hinblick auf dieses Problem: Es gibt Algorithmen, also Entscheidungsanalytik, dann gibt es Netzwerke und dann gibt es neue Formen von Wertsch?pfung und Produktivit?t.

Verstehen wir in Hinblick auf diese Entwicklung also heute unter Kapitalismus etwas Anderes als noch vor 30 Jahren?

Für mich sind die Grundprinzipien gleich. Das Interessante an den aktuellen Entwicklungen ist die Entsachlichung des Kapitalstocks. Wir werden immer Geb?ude brauchen, wir werden immer Maschinen brauchen, aber die Maschinen werden effektiver und es entstehen andere Arten von Eigentum – intellektueller Besitz, Algorithmen. Es gibt einen ?konomen einer gro?en schweizerischen Bank, bei dem liefen die Kunden die Bude ein und daraufhin hat er gesagt, ich mache mich zum Avatar. Sie k?nnen diesen Avatar anklicken und da kriegen Sie die Firmenvorhersagen von dem gesprochen. Nicht von dem ?konomen pers?nlich, sondern von dem Avatar. Und dafür zahlt man. Da fragt man sich: Wer besitzt den Namen von diesem ?konomen, wer besitzt das Programm? Wem kommt das zugute? Im Grunde flie?t der Gewinn der Bank zu. Zudem denkt man immer, Menschen vertrauen solchen Algorithmen nicht. Aber denken Sie mal an Bankangestellte, die Ihnen ein neues Finanzprodukt verkaufen und Sie m?glicherwiese über den Tisch ziehen wollen. Sie kaufen das Wertpapier und die Banken sahnen Kommissionen ab. Es kann durchaus sein, dass Algorithmen glaubwürdig zeigen, dass sie so etwas nicht machen. Es geht um Fairness, es geht um Vertrauen, es geht um neue Formen von Bezahlung und auch um die Skalierbarkeit der Aktivit?t. Die Frage ist, was wir in Hinblick auf das Geld machen, das dabei verdient wird. Da kommen natürlich Vorschl?ge zu Steuern – eine Verm?genssteuer, eine Algorithmus-Steuer, eine Steuer auf Immobilien.

Zur Wende wurde von Francis Fukuyama, einem Politikwissenschaftler, ?das Ende der Geschichte“ ausgerufen, die Idee dahinter: der Kapitalismus ist siegreich, hat sich durchgesetzt. Da wird also ein stabiler wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zustand suggeriert. Wenn ich Ihnen zuh?re, gewinne ich den Eindruck, dass wir heute stattdessen eine erh?hte Dynamik sehen.

Ja, das ist meine feste ?berzeugung. Wir sind alle wie Wildtiere auf der Fahrbahn, gucken direkt in die Scheinwerfer eines Autos. Man wei? nicht, was auf einen zukommt und man wei? nicht, ob man selber bedroht ist. Die ?konomie besteht ja gerade aus wechselnden, neuen Nutzungswegen und man kann nicht immer alles antizipieren. M?rkte sind viel schneller als der einzelne Mensch. Allein das zu beschreiben, ist eine Herausforderung. Das ist der Ursinn dieses Problems. Der Kapitalismus, das ist meine pers?nliche Einsch?tzung, ist heute mehr bedroht als vor drei?ig Jahren. Das Gef?hrliche ist die Konzentration des Verm?gens. Die Kernidee in der National?konomie ist ja, dass der Preis am Markt ein demokratischer Prozess ist. Die Nachfrage bestimmt die kollektive Beurteilung des Wertes. In der digitalen Wirtschaft werden diese Kr?fte eingespannt und zum Teil auch ausgenutzt. Das ist für mich sowohl das Spannendste als auch die gro?e Bedrohung: Algorithmen verdienen immer mehr Geld für ihre Eigentümer, weil sie die Historie der Internetnutzer kennen. Der Algorithmus wei?, was Sie gut finden und was Sie nicht gut finden und dann kriegen Sie nur das Gute angezeigt und zwar zu einem h?heren Preis. Ist das fair? Ist das gerecht? Auf jeden Fall wird es das digitale Unternehmen reicher machen.

Wem geh?rt Ihrer Meinung nach, aus Sicht des ?konomen, die Welt – jetzt und in der Zukunft?

Was wir im Moment sehen, ist die Anh?ufung von Verm?gen. Der Marktwert von Firmen, die im Internet operieren, ist unglaublich! Die Bewertung der Google-Aktien bel?uft sich derzeit auf 750 Milliarden Dollar. Das ist mehr als das Zehnfache des traditionellen Unternehmens Daimler-Benz AG. Und das bedeutet etwas. Deutschland hat keine Konkurrenz zu diesen amerikanischen Firmen zu bieten, im Moment. Der deutsche Softwarekonzern SAP ist schon Geschichte und ein Beispiel dafür, was hier l?uft.

Würden Sie also sagen, wir haben in der digitalen ?konomie ein Monopolisierungs-Problem?

Ja, absolut. Es gibt Auswege, aber die erfordern natürlich sehr viel kollektives Handeln. Da muss die EU als Sammelsurium von L?ndern eine einheitliche Politik machen, wir sind aber noch nicht so weit. Wir werden in dieser Phase wahrscheinlich immer h?ufiger sehen wie in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, dass die Kapitalbesitzer reicher werden und die Leute, die für den Lohn arbeiten, ?rmer werden – also: tendenziell. Und das wird zu kollektiven Handlungen per Gewerkschaften, zu neuen Organisationsformen führen. Die Gewerkschaften sind sehr schwach im Moment, ich k?nnte mir aber vorstellen, dass sich die Menschen über soziale Netzwerke organisieren.

Das Interview führte Nora Lessing.

Sommerthema: Wem geh?rt die Welt?

Folge 1: Wem geh?rt der Schlaf?

Folge 2: Wasserknappheit auf den Kykladen

Folge 3: Manche Familienmitglieder sind gleicher als andere

Folge 4: Wie kann etwas überhaupt zu Eigentum werden?