?Man muss jede einzelne Probe lieben“
Constantin Alex beim Konzert ?8. Sinfonie von Gustav Mahler“ am 12. Februar 2019 in der Berliner Philharmonie.
Foto: Matthias Heyde
Nein, Motivationsprobleme kenne er nicht, sagt Constantin Alex an diesem Montagvormittag in seinem Büro, hoch oben im Universit?tsgeb?ude am Hegelplatz. Rechterhand ein Konzertflügel, Partituren auf dem Schreibtisch, eine halbe Wand mit CDs gepflastert. Im Wintersemester noch war hier ein Programm auf die Beine gestellt worden, das mit Gustav Mahlers riesenhafter Achter Symphonie in den h?chstalpinen Bereich des klassischen Repertoires vorgedrungen war. Rund 600 Musikerinnen und Musiker hatten am Jubil?umsprojekt anl?sslich des 25-j?hrigen Bestehens der Marke ?Musik an der HU“ mitgewirkt. Zwei Orchester, mehrere Ch?re, etliche Solisten. Ausverkaufte Konzerte in der Philharmonie und im Konzerthaus. Zweimal 90 Minuten Maximalsymphonik. Für die Beteiligten ein unvergessliches Erlebnis.
Jetzt, im Sommersemester, haben sich die Dimensionen normalisiert, die Ensembles – Alex leitet zwei Orchester und einen Chor – sind wieder getrennt und die Dezibellast im Probensaal in der ersten Etage bleibt meist auf unbedenklichem Level. Den Vergleich mit der Rückkehr aus der Champions-League in den Normalbetrieb l?sst der Universit?tsmusikdirektor dennoch nicht zu: ?Ein Highlight kann man nicht verl?ngern, sonst w?re es ja kein Highlight mehr“, sagt er mit Rückblick auf den Mahler-Gipfel, ?aber eigentlich geht es doch viel mehr um jede einzelne Probe. Die muss man lieben!“
Montags, dienstags und donnerstags versammelt Alex unterm Semester seine Ensembles. ?ber dieses Zusammenkommen jenseits der Fakult?ten spricht er fast noch lieber als über Musik. Es ist sein gro?es Thema, seit der studierte Pianist und Dirigent 1993 das nach altertümlicher Tradition klingende Amt des Universit?tsmusikdirektors angetreten hat. ?Mit anderen Menschen Musik zu machen, das ist mit sehr vielen Schichten, sehr viel Inhalt verbunden. Man muss in jeder Probe die Sensoren aufmachen – für die Musik, aber auch für die Anderen, die Mitmusiker, den Dirigenten. Man lernt, zuzuh?ren und menschlichen Zusammenhalt zu genie?en.“
N?chstes Highlight: Aufführung von Puccinis ?La Bohème“
Alex steht zum Humboldt’schen Bildungsideal, in dessen Geist seine Stelle an der Universit?t vor mehr als 25 Jahren geschaffen wurde. ?Unter ?konomischen Aspekten sind vier bis fünf Monate Probenzeit für ein Konzert eigentlich ja Verschwendung“, sagt er lachend, ?aber ich bin überzeugt davon, dass etwa Menschen, die Medizin studieren, bessere ?rztinnen oder ?rzte werden, wenn sie gelernt haben, wie man zum Beispiel Cello spielt und sich damit in ein Orchester einbringt.“ Gerade in dieser Hinsicht bereitet ihm die Situation des musikalischen Nachwuchses mitunter Sorgen. ?Wie konnte man es zulassen“, fragt er, ?dass an den Berliner Musikschulen nicht einmal mehr zwanzig Prozent festangestellte Lehrkr?fte arbeiten?“ Die marktf?rmige Durchoptimierung unserer Gesellschaft, die schon Grundschüler auf ihr sp?teres Berufsleben vorbereiten will, mache aus dem Menschen ein Schmalspurwesen: ?Wenn man eine Institution wie unsere erhalten will, dann muss man unbedingt an der Basis anfangen!“
Deshalb freut es ihn, dass die Anbindung an die Universit?t in den letzten Jahren enger, der 三亿体育·(中国)官方网站 intensiver geworden ist: ?Wir sind da auf einem sehr guten Weg, aber noch lange nicht am Endpunkt!“ Wenn er nach England oder in die USA schaue, wo die Universit?tsmusik in der Breite praktiziert werde und ein stolz pr?sentiertes Aush?ngeschild sei, dann sehe er hier doch noch Verbesserungspotenzial – vor allem auf ideeller Ebene. ?Es w?re sch?n, wenn wirklich immer und überall darauf hingewiesen würde: Wer hier zum Studieren herkommt, tut gut daran, seine F?higkeiten im Orchester oder im Chor einzubringen – eben weil man hier auch lernt, wie man miteinander umgeht und auskommt.“
Doch auch musikalisch gibt es für Constantin Alex noch unerfüllte Wünsche und Traumprojekte. Eines davon soll demn?chst realisiert werden: Eine konzertante Aufführung von Giacomo Puccinis Opernklassiker ?La Bohème“. Wieder so ein Highlight. Viele sollen noch folgen, auch wenn der 55-J?hrige mit leichtem Schaudern bemerkt, dass er gerade seinen ?letzten Zehn-Jahres-Kalender“ gekauft habe. Aber das sind noch mehr als zwanzig Semester, sprich gut und gerne vierzig Programme, verteilt auf die einzelnen Ensembles. Reichlich Zeit also, um Menschen für die Musik zu gewinnen – und füreinander.
Autor: Janis El-Bira, HU-Alumnus und seit 2007 Mitglied des Symphonischen Orchesters
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Aktuelles Konzert
Humboldts Philharmonischer Chor
am Sonntag, 30. Juni 2019 um 20 Uhr im Kammermusiksaal der Philharmonie
Gioachino Rossini: Petite Messe solennelle
Vorverkauf im Humboldtstore (Foyer Hauptgeb?ude der HU), bei Eventim und allen bekannten VVK-Stellen.