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Eine Pionierin der Frauenbewegung

Hedwig Dohm war eine der ersten Gasth?rerinnen der Universit?t. Eine Erinnerung zum 100. Todestag

Wer im ersten Stock des Hauptgeb?udes an den Bildnissen bedeutender Frauen der Universit?t entlangflaniert, st??t auch auf das Portr?t von Hedwig Dohm, das sie in jungen Jahren zeigt. 1831 geboren, erlangte sie schon zu Lebzeiten Ruhm als Journalistin, Publizistin, erfolgreiche Roman- und Theaterautorin sowie als radikale Frauenaktivistin. Bereits 1873 forderte sie das Stimmrecht für Frauen, k?mpfte und schrieb ironisch-brillant für die rechtliche, soziale und ?konomische Gleichberechtigung der Geschlechter.

Gasth?rerin ohne Eintrag im Verzeichnis

Mit der Berliner Universit?t verband sie eine Gasth?rerschaft. Im Universit?tsarchiv befindet sich eine polizeiliche Beurteilung von Hedwig Dohm nach deren Antrag auf Zulassung zu Vorlesungen beim Kultusministerium (1895). Einen Eintrag im Verzeichnis der Gasth?rerinnen gibt es leider nicht, da dieses erst 1896 begann. Heute hei?t das Hedwig-Dohm-Haus der Universit?t in der Ziegelstra?e 5-9 nach ihr, wo die studentische Selbstverwaltung und die Kita ?die Lupe“ ihren Sitz haben.

Pure Unterforderung: M?dchenschule und Lehrerinnenseminar

Hedwig Dohm wurde in einer kinderreichen Berliner Familie geboren. Als Kind war sie wissbegierig. Dieser Wissenshunger wurde weder unterstützt, geschweige denn gestillt. Sie erfuhr die geschlechtsspezifische Erziehung, die im 19. Jahrhundert in gehobenen Kreisen üblich war: Sie besuchte die M?dchenschule und arbeitete danach im Haushalt der Familie. In der Hoffnung auf mehr Bildung rang die hochintelligente, junge Frau ihren Eltern den Besuch eines Lehrerinnenseminars ab, letzteres unterforderte sie allerdings ?hnlich wie auch die M?dchenschule.

Bekannteste wie auch gefürchtetste intellektuelle Stimme ihrer Zeit

Mit 22 Jahren heiratete sie den Autor Ernst Dohm, der als Redakteur beim Satiremagazin Kladderadatsch arbeitete und ihr die Türen zu den intellektuellen Kreisen Berlins ?ffnete. Hedwig Dohm betrieb einen Salon, in dem einflussreiche Frauen und M?nner des politischen und gesellschaftlichen Lebens verkehrten, und holte als Autodidaktin die ersehnte Bildung akribisch nach. Mit Mitte 30 publizierte sie eine 600-seitige Abhandlung zur spanischen Nationalliteratur. Im Alter von 40 Jahren begann die Mutter von fünf Kindern über die Frauenfrage zu schreiben und publizierte vier Bücher dazu. Die Radikalit?t ihrer Forderungen und die furchtlosen satirischen Analysen machten sie mit einem Schlag zu einer der bekanntesten wie auch gefürchtetsten intellektuellen Stimmen ihrer Zeit. Zeitgen?ssische, anerkannte Intellektuelle griff sie aufgrund ihrer frauenfeindlichen Positionen ironisch an.

Für Gleichberechtigung auf allen Ebenen

Neben dem Wahlrecht für Frauen pl?dierte sie für die gleichberechtigte Bildung und Ausbildung von M?dchen sowie für die freie Wahl eines Berufs, der Frauen die ?konomische Selbstst?ndigkeit sicherte. Sie forderte das Recht auf selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch, kritisierte das Eherecht, die Mystifizierung der Mutterschaft. Sie k?mpfte gegen die unzureichende sexuelle Aufkl?rung junger M?dchen sowie den Jugendwahn, der ?das Weib entmenscht“.

Das Scheitern der M?rz-Revolution 1849, das Zensur und politische Unterdrückung zur Folge hatte, wirkte sich auch auf die Frauenbewegung fatal aus. Erst in den 1860er Jahren entstanden wieder gem??igte Zirkel und Forderungen. Diesem Flügel der Frauenbewegung, der den Geschlechterdualismus und die angebliche natürliche Bestimmung der Frau zur Hausfrau und Mutter nicht infrage stellte, waren Hedwig Dohms Ideen zu radikal.

Sie thematisierte Frauenfragen in Romanen und Novellen

Sie schloss sich einer radikaleren Frauenbewegung an, die sich zum Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts formierte. Deren neu gegründete Zeitschriften boten ihr neue Publikationsm?glichkeiten. Zwischen 1895 und ihrem Tod 1919 ver?ffentlichte sie mehr als 80 Artikel in linken und liberalen Zeitungen und Zeitschriften. Zugleich suchte sie nach anderen literarischen Formen, um ein gr??eres Publikum zu erreichen. Sie begann, Romane und Novellen zu schreiben, in denen sie anhand individueller Frauenschicksale die rechtliche Situation der Frau, die Bildung, die Ehe, die Berufst?tigkeit und die Mutterschaft thematisierte.

Hedwig Dohm war nicht nur radikale Feministin, sondern auch Pazifistin. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs war sie eine der wenigen ?ffentlichen Stimmen im deutschen Kaiserreich, die sich gegen den Kriegswahn positionierte. Nach Kriegsende erlebte die Pionierin der Frauenbewegung als 87-J?hrige, wie der Rat der Volksbeauftragten im November 1918 das Wahlrecht für Frauen verkündete. ?Zu sp?t!“, soll sie ausgerufen haben. Hedwig Dohm starb am 1. Juni 1919 in Berlin.

Quelle: www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de / Bearbeitung: Ljiljana Nikolic

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