?Sie wissen nicht, wo in der Welt es am Ende landet“: Goldabbau in Tansania
Eine Gruppe von Bergleuten in Tansania
Foto: Anna Frohn Pedersen
Früher, so erz?hlt man sich, soll das Gold in Tansania nahezu auf der Stra?e gelegen haben; mittlerweile müssen die Sch?chte immer tiefer gegraben werden. Aber auch 100 Meter unter der Erde gibt es keine Garantie für den gro?en Schatz. Manche versuchen deshalb mit Hexerei die richtigen Stellen zu finden, andere rekonstruieren, wo die deutschen Kolonialherren damals gegraben haben.
Bergbau zwischen Hoffnung und Gefahr
Doch trotz all der Mühe ist der Goldabbau nach wie vor eine wichtige Einkommensquelle im Land und gerade junge M?nner k?nnen hier mit etwas Glück mehr Geld verdienen als in der Landwirtschaft. Deshalb ist die Goldsuche auch immer eine Geschichte der Hoffnung. Zumal es kaum Alternativen gibt. Das hat Anna Frohn Pedersen festgestellt. Die Doktorandin lebt derzeit bereits zum dritten Mal in Tansania, wo sie in insgesamt sechs Monaten Feldforschung den Kleinbergbau im Goldsektor untersucht. ?Ich wollte mir nicht die gro?en Bergbaufirmen ansehen, sondern die Lebensumst?nde der vielen Einzelk?mpfer kennenlernen, die von Hand in selbstorganisierten Minen arbeiten. Wobei auch der Kleinbergbau eine gro?e Bandbreite umfasst – von denen, die selbst in die Sch?chte steigen, bis zu denen, die so viel Geld und Land besitzen, dass sie andere für sich arbeiten lassen k?nnen“, erz?hlt die Anthropologin über Skype.
Die Arbeitsbedingungen unter Tage sind hart und gef?hrlich. Oft schuften die Bergleute 8 bis 12 Stunden am Stück und kommen nur zum Essen nach oben. Die Sicherheitsvorkehrungen lassen einiges zu wünschen übrig und bei der Arbeit wird oft Quecksilber verwendet. Das giftige Schwermetall hilft dabei, die winzigen Goldpartikel aus dem gewaschenen Sand zu extrahieren. ?Die Verwendung von Quecksilber ist vor allem im manuellen Bergbau und bei kleinen Erzmengen die billigste und effektivste Methode, um Gold zu gewinnen. Aber sie kann leicht zu Vergiftungen führen.“ Andere Risiken sind ausfallende Kompressoren, die für frische Atemluft sorgen, oder Tunnel, die in der Regenzeit einstürzen. ?Erst vor zwei Wochen ist es in einem nahegelegenen Dorf zu einem Unfall gekommen. Zwei M?nner wurden in einer Mine verschüttet und es gab keine M?glichkeit, sie zu retten. In der Zwischenzeit ist der 三亿体育·(中国)官方网站 zu ihnen abgebrochen. Die beiden sind vermutlich tot.“ Die Wissenschaftlerin gibt deshalb zu: ?Ich würde niemals dort hinuntergehen. Es ist viel zu gef?hrlich.“
Unbekannte Exportrouten und unterbrochene Informationsflüsse
Ein Stückchen Gold, Foto: Anna Frohn Pedersen
Was schlie?lich mit dem gewonnenen Gold geschieht, bleibt zumindest für die kleinen Bergleute ein R?tsel. ?Tansania ist ein gro?er Goldexporteur, aber die Exportrouten kennen nur wenige. Das liegt vor allem daran, dass der Goldmarkt extrem informell geregelt ist, auch wenn im Augenblick versucht wird, den Schmuggel zu bek?mpfen. Die Wege führen über Zwischenh?ndler, kleine und gro?e Dealer. Am Ende stehen meist Dubai oder Indien.“ Diese mangelnde Transparenz hat das Interesse von Frohn Pedersen geweckt. ?Normalerweise denkt man bei Transparenz immer an die Konsumentenperspektive, sprich, wie k?nnen die K?uferinnen und K?ufer erfahren, woher die Produkte kommen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden. Aber was ist mit den Bergleuten, die ihr Leben riskieren, um ein bisschen Gold nach oben zu bringen? Sie wissen nicht, wo in der Welt es am Ende landet.“
Um derartige Fragen besser einordnen zu k?nnen, nutzt die Nachwuchswissenschaftlerin das Konzept der sogenannten Telecouplings. Darunter versteht man ein Netzwerk von Str?men, das in einer zunehmend globalisierten Welt immer mehr und teils weit entfernte Orte miteinander verbindet. ?Bei dem, was zwischen den Orten bewegt wird, kann es sich um Rohstoffe, Technologien oder auch um Menschen handeln. Im Falle von Tansania ist es aber viel spannender, nach den unsichtbaren Str?men zu fragen, wie 三亿体育·(中国)官方网站 oder Diskurse. So gibt es beispielsweise auf der internationalen Ebene gerade eine Debatte über nachhaltigen Bergbau. Wenn man dann aber hier vor Ort ist, dann ist davon rein gar nichts zu spüren.“ ?ber diese unterbrochenen oder gar nicht existenten Informationsflüsse m?chte Anna Frohn Pedersen nun weiter forschen.
Zur Person
Anna Frohn Pedersen promoviert seit 2018 am Integrativen Forschungsinstitut zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys) an der HU Berlin. Ihre Forschung ist Teil des von der EU gef?rderten Projekts COUPLED ITN. Die gebürtige D?nin ist spezialisiert auf empirische Feldforschung mit einem Schwerpunkt auf visuelle Methoden. Deshalb gibt sie in Tansania auch gern die Kamera aus der Hand, so dass die Menschen selbst ihren Lebensalltag zeigen k?nnen. Entstehen soll daraus ein kleiner Film.
Vierter Teil der Reihe um Bergbauforschung.