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Migr?ne ist so komplex wie der Klimawandel

Das Team um Migr?neforscher Markus Dahlem ist einer dynamischen Krankheit auf der Spur

Sie wird im Schlager besungen, als Bonmot verballhornt und kann Flüge notlanden lassen. Die Rede ist von der Volkskrankheit Migr?ne. Allein in Deutschland leiden laut der Deutschen Migr?ne- und Kopfschmerzgesellschaft mehr als zehn Millionen Patienten darunter. Wissen – oder besser Unwissen – über die bislang unheilbare Krankheit ist weit verbreitet.

So werden von Betroffenen in Befragungen h?ufig vermeintliche Ausl?ser, sogenannte Trigger, für eine Migr?neattacke identifiziert: Sport oder Stress, grelles Licht oder der Genuss von Schokolade. Zwar k?nnen bestimmte Nahrungsmittel tats?chlich einen Migr?neanfall provozieren, jedoch konnte eine medizinische Studie an der Universit?t Kopenhagen die Triggerwirkung nur bei 11 Prozent der untersuchten Patienten best?tigen. Der Umkehrschluss, die vermeintlichen Trigger zu meiden und damit die Verantwortung für den Krankheitsverlauf den Patienten zu übertragen, ist daher falsch.

Migr?neexperte Markus Dahlem
Physiker und Migr?neexperte Markus Dahlem. Foto: HU Berlin

Markus Dahlem, Physiker und Migr?neforscher von der Humboldt-Universit?t zu Berlin, pl?diert dafür, die vermeintlichen Trigger bereits als Symptome zu begreifen. ?Wir müssen die Migr?ne als dynamische Krankheit verstehen, die nicht linear von A nach B verl?uft“, erkl?rt der Forscher. ?Die Schokolade ist meist gar nicht der Ausl?ser, sondern der Hei?hunger auf Sü?es bereits Teil des Vorbotensystems, das etwa 24 Stunden vor der Kopfschmerzattacke auftaucht.“ In einem transdisziplin?ren Ansatz greift das Forscherteam um Dahlem, bestehend aus Physikern, Neurologen und ?kologen, auf das Wissen aus der Klimaforschung zurück. Als Analogie zu den vernetzten Abl?ufen im Gehirn der Betroffenen setzen die Forscher den Klimawandel.

Die globale Erw?rmung ist ein dynamischer Prozess, dem eine Vielzahl von vernetzten und sich gegenseitig bedingenden Ereignissen vorangehen, bis der Zustand ?kippt“ – es also zu einer nicht mehr vermeidbaren, abrupten Ver?nderung des Ist-Zustands kommt. Diesem Kipp-Punkt muss die Aufmerksamkeit gelten, denn er zeichnet sich durch extreme Ausschl?ge und Schwankungen zu den Durchschnittswerten ab. Er hat somit sein eigenes Frühwarnsystem, wenn man lernt, die Kennzeichen richtig zu deuten. Im Fall des Klimawandels w?ren das zum Beispiel die harten Winter in den Jahren 2006 und 2009, die auf den ersten Blick das Gegenteil eines Klimawandels zu signalisieren scheinen, allerdings in ihrer Extremit?t Ausrei?er zu den Durchschnittswerten bilden. Aufgabe der medizinischen Forschung muss es nun sein, die spezifischen Kennzeichen eines Kipp-Punktes bei Migr?ne zu identifizieren.

Zum einen k?nnen diese für Betroffene frühzeitige Warnhinweise sein, um noch rechtzeitig mit therapeutischen Ma?nahmen einzugreifen. Zum anderen würden damit erstmals objektive Indikatoren für die Migr?neerkrankung existieren – sogenannte dynamisch-vernetzte Biomarker. ?Diese messbaren Biomarker als typische Kennzeichen für einen Kipp-Punkt erkl?ren nicht nur die Fehldeutung der Vorbotensymptome als Ausl?ser, sie führen uns auch zu dem Ursprung der Migr?neattacken in einem autonomen Untersystem des Gehirns“, glaubt Dahlem. Computermodelle erlauben hierzu Prognosen auf Grundlage der wesentlichen physikalischen, biologischen und chemischen Vorg?nge. Solche Modelle sind von gro?em Interesse: Denn der experimentellen Forschung sind enge Grenzen gesetzt. Die Schmerzforschung kann nur sehr begrenzt auf Tierversuche ausweichen. ?Wir haben nun einen Ansatzpunkt für ein ,digitales Schmerzmodell‘, in dem am Computer diese Netzwerke im Gehirn studiert werden und so teilweise Tierversuche ersetzen k?nnen.“

Der Ansatz von Dahlem und seinem Team soll auch Betroffenen helfen, die Krankheit ihrem Umfeld gegenüber zu verdeutlichen. Vor allem die Unvorhersehbarkeit eines Anfalls und Einschr?nkungen in allen Lebensbereichen machen den Betroffenen zu schaffen: Wie soll ein Handwerker mei?eln, wenn jedes Ger?usch ?belkeit ausl?st? Wie eine Lehrerin unterrichten, wenn sie jederzeit mit Ged?chtnis- und Sprachausf?llen rechnen muss? Oder wie ein Pilot eine Boeing steuern, wenn ein Migr?neanfall mit L?hmungserscheinungen einhergeht?

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Blog von Markus Dahlem

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