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Die überforderte Generation

Arbeit und Familie in der Wissensgesellschaft: eine Studie von Hans Bertram und Carolin Deuflhard

Die Organisation der beruflichen Lebensverl?ufe stimmt heute nicht mehr mit der famili?ren Lebensführung überein. Zu diesem Ergebnis kommen die Soziologen Prof. Hans Bertram und Carolin Deuflhard von der Humboldt-Universit?t zu Berlin auf Basis der empirischen Untersuchung des ?konomischen Strukturwandels und des Wandels der Lebensverl?ufe und Lebensformen seit den 1970er Jahren.

Die Forscher zeigen mit ihrer Studie, dass sich die Lebensl?ufe in diesem Zeitraum drastisch ver?ndert haben. Die überforderte Generation muss in der Rushhour des Lebens – in der kurzen Zeitspanne etwa zwischen dem 28. und dem 35. Lebensjahr – die beiden zentralen Lebensanforderungen von beruflicher Integration und Familiengründung zeitgleich bew?ltigen, wohingegen diese Lebensentscheidungen von der skeptischen Generation – also der der Eltern – noch als kontinuierliches Nacheinander erlebt wurden.

Die heute sehr viel l?ngere Ausbildungsphase sowie der überwiegend unsichere Einstieg in eine flexibilisierte Arbeitswelt haben zu einer deutlichen Verz?gerung der ?konomischen Selbstst?ndigkeit geführt. Ein angemessenes und sicheres Einkommen, das als Grundlage für die Familienbildung angesehen wird, steht h?ufig noch gar nicht zur Verfügung, da der ?konomische Strukturwandel zu einer starken Einkommensbenachteiligung der jungen Generation geführt hat. Selbst für junge Akademiker garantiert Bildung nicht mehr unbedingt eine angemessene Existenzsicherung, insbesondere in strukturschwachen Gro?st?dten wie Berlin. Somit muss die Familiengründung oft in kürzester Zeitspanne bew?ltigt werden, obwohl die Zeit für den Aufbau von Beziehungen aufgrund der erh?hten Anforderungen und Mobilit?tserwartungen der Berufswelt viel knapper geworden ist und sie heute vor dem 30. Lebensjahr nicht mehr unbedingt auf eine gemeinsame Zukunft führen.

Diejenigen, die sich trotz des Widerspruchs zwischen den beruflichen Anforderungen und der Entwicklung von Familienbeziehungen für Kinder entscheiden, sind heute ungleich h?heren Anforderungen ausgesetzt als noch die skeptische Generation. Denn die skeptische Generation hatte mit dem Modell der klaren innerfamili?ren Arbeitsteilung – mit dem Vater als ?konomischem Versorger und der Mutter als Hausfrau – ein eindeutiges Orientierungsmuster für die Organisation von Fürsorge. Dieses Orientierungsmuster stellt für die überforderte Generation kein Vorbild mehr dar, allerdings hat der gesellschaftliche Wandel auch kein neues Muster für die Organisation von Fürsorge hervorgebracht, sodass die Zeit für Fürsorge in jeder Partnerschaft individuell ausgehandelt werden muss. Die Anforderungen und Ansprüche der Eltern an die Sozialisation der Kinder sind demgegenüber im Kontext der h?heren Bildungsanforderungen deutlich gestiegen. Paare schaffen sich den famili?ren Raum für Fürsorge in der Regel dadurch, dass eine Person – meistens die Mütter – ihre Pr?senz am Arbeitsmarkt einschr?nkt. Dieses Muster zeigt sich nicht nur in den USA und in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen europ?ischen L?ndern, also relativ unabh?ngig von den familienpolitischen Rahmenbedingungen.

Die Forscher zeigen für Deutschland, dass dies eng mit der schlechteren Bezahlung von Berufen zusammenh?ngt, in denen überwiegend Frauen arbeiten. Die Entscheidung für eine Einschr?nkung der Arbeitsmarktpr?senz hat allerdings langfristige Benachteiligungen im Beruf zur Folge, weil beruflicher Erfolg nach wie vor eine kontinuierliche Vollzeiterwerbst?tigkeit voraussetzt.

Die Analysen wurden anhand des Mikrozensus durchgeführt, der gr??ten repr?sentativen Datengrundlage der amtlichen Statistik in Deutschland zur Bev?lkerungsstruktur und zur wirtschaftlichen und sozialen Lage. Im Vergleich zur USA haben die Forscher untersucht, inwiefern der strukturelle Wandel in zwei L?ndern mit sehr unterschiedlichen politischen Systemen und Kulturen dennoch ?hnliche gesellschaftliche Ver?nderungen hervorgebracht hat. Dabei wurde die Lebenssituation von zwei Generationen gegenübergestellt, der skeptischen Generation der zwischen 1930 und 1940 Geborenen, die ihr junges Erwachsenenalter Anfang der 1970er Jahre erlebt haben, und der überforderten Generation der zwischen 1970 und 1980 Geborenen, die ihr junges Erwachsenenalter im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends erreicht haben.

Originalver?ffentlichung

Bertram, Hans/Deuflhard, Carolin (2015): Die überforderte Generation. Arbeit und Familie in der Wissensgesellschaft. Opladen/Berlin/Toronto: Verlag Barbara Budrich.

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Prof. Dr. Hans Bertram
Fellow am IGK Arbeit und Lebenslauf in globalgeschichtlicher Pers?pektive
Humboldt-Universit?t zu Berlin
hbertram@sowi.hu-berlin.de

Carolin Deuflhard, M.A.
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrbereich Mikrosoziologie
Humboldt-Universit?t zu Berlin
carolin.deuflhard.1@hu-berlin.de

Pressekontakt

Stabsstelle Presse und ?ffentlichkeitsarbeit
Humboldt-Universit?t zu Berlin

Tel: 030 2093 2345
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