Abschied von Gro?britannien?
Gro?britannien ist in Aufruhr, seitdem eine Mehrheit der britischen W?hler sich für den Ausstieg aus der Europ?ischen Union entschlossen hat. Der niederl?ndische Premierminister Mark Rutte, ein Freund Gro?britanniens und seines Amtskollegen David Cameron, brachte es so auf den Punkt: Das Land ?has collapsed politically, monetarily, constitutionally and economically“.
Die scheidende Regierung, die sich überwiegend für einen Verbleib einsetzte, hatte offenbar keinen Plan B. Die siegreichen "Brexiteers" hatten nicht einmal einen Plan A. Und die Oppositionspartei Labour hat sich durch einen neu entbrannten innerparteilichen Machtkampf ausgeschaltet. Au?er der schottischen Ersten Ministerin Nicola Sturgeon, die nach einem sehr klaren Wahlsieg des ?Remain“-Lagers in Schottland Morgenluft für die schottische Unabh?ngigkeit wittert, gibt es keine britischen Politiker, der derzeit mit Brüssel verhandelt.
Der "Brexit" und die Folgen
Erste Folgen des ?Brexits“ sind bereits sichtbar. Das britische Pfund verzeichnete dramatische Kurseinbrüche und ist so schwach wie schon seit über drei?ig Jahren nicht mehr. Dadurch hat Frankreich seinen Nachbar Gro?britannien vom weltweit fünften Platz der Volkswirtschaften verdr?ngt. Die für die britische Wirtschaft so wichtige Finanzleistungsindustrie verlagert bereits Arbeitspl?tze in bleibende EU-L?nder. Die Kreditwürdigkeit Gro?britanniens hat bei den Rating-Agenturen gegenüber der Bestnote AAA zwei Pl?tze eingebü?t.
Die Kampagne für den Ausstieg hatte miteinander Unvereinbares versprochen: weiterhin freien Zugang zum EU-Binnenmarkt ohne Verbindlichkeit von EU-Recht, ohne Beitrag zum EU-Haushalt und ohne Freizügigkeit. Aussagen der fünf Aspiranten auf die Nachfolge von Cameron lassen vermuten, dass der Widerspruch zu Lasten des Binnenmarktes aufgel?st und Gro?britannien sich auf den vollen Ausstieg vorbereiten wird. Wohl niemandem ist die volle Tragweite der Aufgaben bewusst, die damit innerhalb von zwei Jahren nach der Ausstiegserkl?rung zu bew?ltigen sind. Die intensiven Verflechtungen zwischen EU-Recht und britischem Recht, die in über vier Jahrzehnten Mitgliedschaft entstanden sind, k?nnen die bisweilen schwerf?lligen Gesetzgebungsorgane Gro?britanniens und der EU in zwei Jahren nicht beseitigen. Der gr??ere Teil dieser Zeit wird alleine für die Bestandsaufnahme der entstehenden Lücken, Probleme und Aufgaben draufgehen.
Deutsch-britischer Studienaustausch in Gefahr
Intensiv betroffen ist dabei die Kooperation mit britischen 三亿体育·(中国)官方网站n. Die Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU) ist zu Recht stolz auf ihr internationales Profil. Aber ohne Mitgliedschaft Gro?britanniens zumindest im Europ?ischen Wirtschaftsraum wird es keinen deutsch-britischen Studienaustausch über ERASMUS geben, k?nnen gemeinsame Abschlüsse beispielsweise mit dem HU-Kooperationspartner King’s College London an fehlenden Visa ebenso scheitern wie studienbegleitende Praktika in Gro?britannien, wie sie namentlich für unseren MA British Studies erforderlich sind. Und auch eine deutsch-britische Forschungszusammenarbeit über den Europ?ischen Forschungsrat ist dann nicht mehr denkbar.
Eine Verl?ngerung der Zweijahresfrist zum Brexit ist m?glich, würde aber schon am Veto eines einzigen Mitgliedsstaates scheitern. So bleibt als realistische M?glichkeit ein Zwei-Phasen-Modell, das Gro?britannien nach Ablauf der zwei Jahren in einen Status überführt, der dem Norwegens oder der Schweiz ?hnelt und damit genügend Zeit gibt, die rechtliche Entflechtung weiterzutreiben. In dieser Zeit k?nnte Gro?britannien auch Handelsvertr?ge mit den zahlreichen L?ndern abschlie?en, mit denen es bisher nur über die EU vertraglich verbunden ist. Dann dürfte auch noch vor dem endgültigen Ausstieg eine Neuwahl des britischen Unterhauses stattfinden. Sie würde die Gelegenheit bieten, den künftigen Status Gro?britanniens nochmals zu überdenken.
Zusammenarbeit muss gesichert werden
Andauernde Unsicherheit über den Status Gro?britanniens ist nicht im deutschen, britischen oder europ?ischen Interesse. Ein forcierter oder gar feindseliger Abschied aber auch nicht. Deutsche 三亿体育·(中国)官方网站n und Wissenschaftsorganisationen sollten jetzt erst recht mit den britischen Partnern zusammenarbeiten und nach Wegen suchen, wie man die überaus fruchtbare Zusammenarbeit in Lehre und Forschung trotz des bevorstehenden Ausstiegs sichern kann.
Autor: Gerhard Dannemann
Zur Person: Gerhard Dannemann ist Leiter des Gro?britannien-Zentrum der HU. Das Gro?britannien-Zentrum ist ein interdisziplin?res Forschungsinstitut, das neben seiner wissenschaftlichen Arbeit und dem postgradualen Studiengang Master in British Studies auch 三亿体育·(中国)官方网站 für die interessierte ?ffentlichkeit und 三亿体育·(中国)官方网站 für die Medien zu aktuellen britischen 三亿体育·(中国)官方网站 anbietet.
Weitere 三亿体育·(中国)官方网站
- Veranstaltung zum Brexit: What Future for Britain, Germany and Europe?
- Aktuelle Expertenliste zum Thema Brexit
- Das Gro?britannien-Zentrum der HU
Pressespiegel
- Süddeutsche Zeitung: Ende der Milliarden-Sause an britischen Elite-Unis
- Inforadio: Brexit-Interview mit Herfried Münkler von der HU
- Tagesspiegel: Germanisten in Gro?britannien bitten Merkel um Solidarit?t
三亿体育·(中国)官方网站
Prof. Dr. Gerhard Dannemann
Zentralinstitut Gro?britannien-Zentrum
Tel.: 030 2093-99048, 2093-99050
gerhard.dannemann@staff.hu-berlin.de