Todesbringer oder Lebensspender? Bergbaukonflikte in Mexiko
Flussbett nahe der Mine. Foto: Karen de la Torre
Mexiko erlebt derzeit einen politischen Umbruch von historischem Ausma?. Vor rund einem Jahr wurde Andrés Manuel López Obrador, der der politischen Linken zuzuordnen ist, mit überw?ltigender Mehrheit zum neuen Pr?sidenten des Landes gew?hlt. Seine Regierung setzt auf wirtschaftliche Entwicklung und will Mexikos Industrialisierung vorantreiben. Dabei spielt auch Bergbau eine wichtige Rolle.
?Manche empfinden das als Bedrohung, andere als Versprechen“, erz?hlt Jorge Vega Marrot, der die Konflikte um den Bergbau in seinem Heimatland untersucht. In seiner Doktorarbeit vergleicht er zwei l?ndliche Gemeinden, die in ihrem Umgang mit den Minen unterschiedlicher nicht sein k?nnten. W?hrend es in einem Fall eine Anti-Bergbau-Bewegung ohne Mine gibt, halten andernorts die Menschen an ihrer Grube fest, trotz des Verdachts auf Todesf?lle durch Vergiftungen. Vega Marrot interessiert sich vor allem für die Frage, wie bei Bergbaukonflikten der ?ffentliche Diskurs geführt wird und welche Argumente die Stimmung der Bev?lkerung pr?gen. ?In meinen beiden Fallbeispielen wird sehr emotional diskutiert und der Bergbau als Frage von Leben und Tod verhandelt“, so der Nachwuchswissenschaftler. ?Allerdings dient die Mine wahlweise als Todesbringer oder als Lebensspender.“
?Die Mine ist unser Leben“
?Verteidigt unser Wasser, verteidigt unser Leben“
Foto: Karen de la Torre
Im Pro-Bergbau-Beispiel verseuchte ein Minenunfall das Flusswasser und vergiftete zahlreiche Menschen. Als die Beh?rden einschreiten wollten, wehrten sich die Anwohner jedoch gegen die Schlie?ung der Mine. Sie war ihre einzige Chance auf ein Einkommen. ?Die Mine ist unser Leben“, fasst Vega Marrot ihre Position zusammen.
Ganz anders in einer anderen Gemeinde. Dort wendete sich die Bev?lkerung gegen eine geplante Goldmine und formierte sich zu einer Anti-Bergbau-Bewegung. ?Zuerst war es nur eine spontane Reaktion von ein paar Leuten. Aber dann haben sie sich mit anderen Bewegungen landesweit zusammengeschlossen und sind inzwischen weltweit vernetzt.“ Dadurch habe sich der Einfluss der Bewegung stark vergr??ert. Ihr Slogan lautet: ?Ja zum Leben, nein zur Mine. Nein zu Projekten des Todes.“
Gewaltpotential in Bergbaukonflikten
Was diese Bergbaukonflikte besonders brisant macht, ist laut Vega Marrot das Gewaltpotential, das in der politischen Landschaft und der Geschichte Mexikos gründet. ?Die l?ndlichen Regionen und die indigene Bev?lkerung – der in Mexiko fast jeder über ein oder zwei Ecken angeh?rt – haben seit der spanischen Kolonialherrschaft nie aufgeh?rt, gegen externe Bedrohungen zu rebellieren. Wenn die Interessen der Regierung und die der Anti-Bergbau-Bewegung aufeinandertreffen, entsteht eine sehr explosive Mischung.“
Aber auch wenn die Anti-Bergbau-Bewegung gut organisiert und vernetzt ist, bleibt Jorge Vega Marrot skeptisch, ob es ihr gelingen wird, sich gegen den Regierungskurs durchzusetzen. Der Druck ist hoch und es werden vermutlich noch mehr Minen entstehen.
Autor: Jorge Vega Marrot
Dritter Teil der Reihe um Bergbauforschung.
Zur Person
Jorge Vega Marrot promoviert seit Anfang 2019 am Integrativen Forschungsinstitut zu Transformationen von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys) an der Humboldt-Universit?t zu Berlin. Der Mexikaner ist politischer Philosoph, Biologe und Essayist in einem. Gerade bringt er sich noch die Grundregeln der Anthropologie bei.