Szenaristisch über Zukunft nachdenken
Die These vom Ende der Arbeit gibt es schon lange. Auch in den letzten Jahren ist immer wieder zu h?ren, Roboter und Künstliche Intelligenz l?sten die menschliche Arbeit zunehmend ab, bis sie sie irgendwann überflüssig machten. Wo vorher Werkarbeiter ?chzende Maschinen per Hand bedienten oder Büroangestellte klackernd auf Computertastaturen tippten, würden also bald digitale Automaten das Gesch?ft übernehmen. ?Diese Vorstellungen bekommen Aufmerksamkeit, weil sie so erschreckend und dystopisch klingen.
??Solche Ideen sind immer wieder aktuell, wenn man auf die Debattenkultur guckt: Seit der Nachkriegszeit kommen sie alle zehn bis zwanzig Jahre auf“, sagt Philipp Staab, der im Februar die Professur “Soziologie der Zukunft der Arbeit“ an der Humboldt-Universit?t und am ECDF angetreten hat. ?Guckt man aber auf die Empirie, sieht man schnell, dass sich die Befürchtungen, die mit dem Ende der Arbeit verbunden wurden, nie realisiert haben.“ Die These sei zwar nicht erledigt. ?Aber es zeigt sich, dass nichts so hei? gegessen wird, wie es gekocht wurde.“
?Philipp Staab, Jahrgang 1983, hat Soziologie, Politikwissenschaftenund Psychologie studiert. Er hat am Insitut für Sozialforschung in Hamburg, den Universit?ten Kassel und St. Gallen sowie am Institut für die Geschichte und Zukunft der Arbeit geforscht. Früh galt sein Interesse der Tertiarisierung, also der Verschiebung der Besch?ftigungsschwerpunkte vom industriellen zum Dienstleistungssektor. ?Diese Entwicklung war durchaus mit gro?en Hoffnungen verbunden: Dass wir es dann mit Arbeitsprozessen zu tun h?tten, die deutlich weniger von technologischen Kontrolldynamiken gepr?gt sein würden, als es die tayloristische Industriearbeit zeitweise war.“ War diese Hoffnung lange berechtigt, treten wir nun allerdings in eine neue Phase ein. ?Denn die neuen Technologien bringen die rigiden Herrschaftsmechanismen, die wir aus der Industriearbeit kennen und dort teilweise schon wieder abgeschafft haben, jetzt auch in den wachsenden Dienstleistungssektor.“
?Nach den letzten Jahren unverhoffter Hochkonjunktur in Deutschland werden in der n?chsten Dekade st?rkere Polarisierungsdynamiken an den Arbeitsm?rkten auftreten, glaubt Staab. ?Zu erwarten stehen st?rkere Insider-Outsider-Spaltungen. Die k?nnen dann wieder zu Debatten führen, die wir so ?hnlich in den sp?ten Neunzigern und frühen Nullerjahren geführt haben, unter dem Stichwort des ,Kranken Mannes Europas‘.“
?Wie kommt Philipp Staab zu solchen Aussagen? Wie erforscht man die Zukunft? ?Ich schaue auf Vorbilder aus der Vergangenheit und deren Entwicklung. Zugleich behalte ich institutionellen Pfadabh?ngigkeiten im Blick, weil man wei?, dass soziale Ordnungen sich im Normalfall im Rahmen bereits etablierter Wege stabilisieren.“ Auf diese Weise kann er szenaristisch über Zukunft nachdenken.
??Es hat mich schon w?hrend des Studiums interessiert, was eigentlich als n?chstes kommt und daher habe ich immer nach Hinweisen darauf gesucht, was in Zukunft eigentlich wichtig sein wird“, sagt er. Dieses Interesse hat ihn gut ausgerüstet, was die Zukunft seiner eigenen Arbeit angeht. ?Ich habe mich schon vor vielen Jahren mit der Transformation von Arbeitsm?rkten befasst, dem gro?en Makrotrend der Tertiarisierung. Vor sechs Jahren etwa habe ich angefangen, mich im strengeren Sinne mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen, insbesondere mit den Leitunternehmen des kommerziellen Internets. Damit war ich relativ früh dran mit diesem Thema und war daher für die Professur gut aufgestellt.“
?Zur Zeit hat das Thema Zukunft wieder Konjunktur. ?Das ist immer dann so, wenn wir es mit einer Kombination aus ?konomischer Stagnation und gleichzeitigem gesellschaftlichem Aufruhr zu tun haben.“ Und das, sagt Philipp Staab, ist auch die Situation, die unsere Gegenwart pr?gt.
Sommerthema 2019: Wie wollen wir zusammen leben?
Folge 1 mit der Ethnologin Prof. Dr. Silvy Chakalakkal: "Ich gehe davon aus, dass Zeit nicht einfach da ist."
Folge 2 mit dem Soziologen Prof. Dr. Steffen Mau: Erkundungen in der ostdeutschen Heimat
Folge 3 mit dem Makro?konomen Prof. Marcel Fratzscher (PhD): Für einen starken Sozialstaat
Folge 4 mit Prof. Dr. Patricia Ribault vom deutsch-franz?sischen Projekt Behavioral Matters
Folge 5 mit Prof. Dr. Sebastian Markett: Wie das Smartphone das Gehirn ver?ndert
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