COVID-19 hat die Spielregeln für europ?ische St?dte ver?ndert

?Typologie demografischer Faktoren 2020
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie ist eine kontroverse und weitgehend spekulative Debatte entbrannt, inwieweit die Pandemie zu einer?Wachstumsverlangsamung oder sogar zu einer Umkehrung der zuvor rasant steigenden Urbanisierungstrends führen k?nnte. ?Die Pandemie zerst?rt die Anziehungskraft von Megast?dten“, verkündete Anfang 2020 eine Zeitungsschlagzeile. ?Gro?e urbane Zentren sind die neuen Pestzentren“, prognostizierte eine andere auf dem H?hepunkt der ersten Welle von COVID-19.
Manuel Wolff von der Humboldt-Universit?t zu Berlin und Vlad Mykhnenko von der University of Oxford sind die ersten Wissenschaftler, die übergreifende Muster sowie das Ausma? des pl?tzlichen und akuten Schocks von COVID-19 auf lange Sicht analysieren und deuten. Damit wollen sie eine dringend ben?tigte Klarheit schaffen in Bezug auf die Unsicherheit, Verwirrung und grundlosen Spekulationen rund um dieses umstrittene Thema.
Bev?lkerungswachstum in europ?ischen St?dten deutlich verlangsamt
Die Autoren fanden heraus, dass die jüngsten Urbanisierungstrends in Europa im ersten Jahr der Pandemie dramatisch unterbrochen wurden: Das Bev?lkerungswachstum in europ?ischen St?dten verlangsamte sich deutlich auf -0,3 Prozent pro Jahr, verglichen mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von +0,3 Prozent in den Vorjahren der Pandemie. Dieser pl?tzliche Schock war besonders ausgepr?gt in den 66 gr??ten Ballungsr?umen Europas (St?dte mit 500.000 Einwohnern und mehr), von denen 93 Prozent einen Rückgang der Wachstumsraten ihrer Bev?lkerung verzeichneten. Darüber hinaus hat fast ein Drittel (28 Prozent) aller 915 analysierten europ?ischen St?dte eine Kehrtwende von Bev?lkerungswachstum zu Verlust erlebt. Rechnet man die zuvor schrumpfenden St?dte zur Gesamtzahl hinzu, erreichte der Anteil der schrumpfenden St?dte in Europa w?hrend COVID-19 einen ziemlich au?ergew?hnlichen Anteil von 63 Prozent?– ein Anteil, der weit über dem bisherigen H?chststand Ende der 1990er Jahre lag, als 55 Prozent aller europ?ischen St?dte Bev?lkerung verloren. Im Gegensatz dazu verloren nach den frühesten aufgezeichneten Daten im Zeitraum 1960-1965 nur 3 Prozent der europ?ischen St?dte Bev?lkerung.
Die Studie, welche die Ursachen für den Verlust der st?dtischen Bev?lkerung in Europa w?hrend COVID-19 aufzeigt, weist nachdrücklich auf den schnellen Rückgang der Nettomigration um bis zu 137 Prozent hin, wobei die Zahl der Einwohner, die St?dte verlassen, viel h?her ist als die Zahl der Neuank?mmlinge, vor allem in den gr??ten Ballungsgebieten. Darüber hinaus sind in den meisten europ?ischen L?ndern die Sterblichkeitsraten in St?dten schneller gestiegen als auf dem Land – insgesamt um 13,5 Prozent.
COVID-19-bedingter Sterbeüberschuss am st?rksten in kleineren St?dten
Mit Blick auf die Zukunft sagte der Hauptautor der Studie, Manuel Wolff: ?Kurzfristig war es der au?ergew?hnliche pandemiebedingte Rückgang der Nettomigration, welcher ma?geblich für den pl?tzlichen Schock für europ?ische St?dte verantwortlich war.
Doch auf lange Sicht wird der natürliche Bev?lkerungsrückgang – der ?berschuss an Todesf?llen gegenüber Geburten – zum Hauptproblem der meisten europ?ischen St?dte, insbesondere kleinerer St?dte, welche am st?rksten vom COVID-19-bedingten Sterbeüberschuss betroffen sind.“
COVID-19 hat bestehende Trends beschleunigt
Für Vlad Mykhnenko, den Mitautor der Studie, sind die Ergebnisse eine gro?e ?berraschung: ?Unsere Studie zeigt, dass w?hrend der Pandemie die Abwanderung aus europ?ischen St?dten ebenso pl?tzlich wie erheblich war und selbst die gr??ten St?dte schrumpfen lie?. Dass zwei von drei St?dten in Europa schrumpfen – damit hatte ich definitiv nicht gerechnet. Ich nahm an, dass die allgemeine menschliche Bequemlichkeit als auch die hohen Umzugskosten, würden eine massenhafte Abwanderung aus den St?dten w?hrend der Pandemie verhindern.“
Im Gegensatz dazu hebt die Studie hervor, dass viele der zugrunde liegenden demografischen Prozesse, darunter niedrige Fruchtbarkeit und sinkende Geburtenraten, bereits vorher beobachtet wurden – COVID-19 hat die bestehenden Trends nur beschleunigt.
Manuel Wolff fügt hinzu, dass weitere Forschung n?tig sei um zu best?tigen, ob die festgestellten Ver?nderungen vorübergehend waren oder ob sie ein neue ?ra einer demografischen Abw?rtsbewegungen im gesamten urbanen Europa ankündigen. ?Die Wiederbelebung nach COVID-19 wird in erster Linie der oberen Schicht der st?dtischen Hierarchie zugute kommen und dazu beitragen, dass die gr??ten St?dte, die Kernmetropolen, wieder wachsen und expandieren. Kleinere St?dte werden weiterhin unter Sterbeüberschüssen und Abwanderung leiden – COVID-19 hat diese Entwicklung versch?rft.“
Zusammenfassend kommt die Studie zu dem Schluss, dass sich der Einfluss der COVID-19 Pandemie zwar auf alle St?dte auswirkte, es aber die Erholung nach der Pandemie sein wird, die zu einer zunehmend ungleichm??igen demografischen Entwicklung der europ?ischen St?dte führen wird.
Publikation
Der Forschungsartikel ist in der Fachzeitschrift Cities erschienen.
“COVID-19 as a game-changer? The impact of the pandemic on urban trajectories”
Cities?2023
https://doi.org/10.1016/j.cities.2022.104162
Der Artikel ist im Open Access auf der Website der Zeitschrift verfügbar.
Pressekontakt
Dr. Manuel Wolff
Geographisches Institut,
Abteilung Landschafts?kologie & Department
Humboldt Universit?t zu Berlin
Department Stadt- und Umweltsoziologie
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, Leipzig
Tel.: + 49 - (0)30- 20936803
Dr. Vlad Mykhnenko
St. Peter’s College, University of Oxford
Department for Continuing Education
University of Oxford, Oxford, United Kingdom
Tel.: +44 - (0)1865 280767
vlad.mykhnenko@conted.ox.ac.uk
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