Der lange Hals der Giraffe: Neue Erkenntnisse über eine Ikone der Evolution

Giraffen im Murchison Falls National Park, Uganda, 2015
Foto:?John Nyakatura ?
Der lange Hals der Giraffe fasziniert Evolutionsbiologen und Anatomen schon seit Langem. Trotz der enormen L?nge von etwa zwei Metern wird er von nur sieben Halswirbeln gebildet, genau wie bei Menschen, kleinen Spitzm?usen und den allermeisten übrigen S?ugetieren. Durch neue Methoden best?tigten Forschende der Humboldt-Universit?t zu Berlin (HU) und der Ludwig-Maximilians-Universit?t München (LMU) eine über 100 Jahre alte Hypothese: Durch eine einzigartige Ver?nderung des Brustwirbels verl?ngert sich der Hals bei Giraffen. Damit ging die Giraffe einen Sonderweg in der Evolution.?
Erkenntnisse aus naturkundlichen Sammlungen?
Die Forschenden scannten und untersuchten hunderte von Wirbeln und Skelettmaterial aus verschiedenen naturwissenschaftlichen Sammlungen und gewannen daraus neue Erkenntnisse. ?Schon in einer anatomischen Arbeit vom Beginn des vorherigen Jahrhunderts wird die Hypothese aufgestellt, dass die auffallende Gestalt des ersten Brustwirbels zu einer Verl?ngerung des Halses bei Giraffen beitr?gt. Mit neuen technischen M?glichkeiten konnten wir das jetzt belegen", berichtet John Nyakatura, Professor für Vergleichende Zoologie an der HU, in dessen Arbeitsgruppe die Studie durchgeführt wurde. Neben den Giraffen wurden viele andere verwandte Paarhufer (bspw. Rinder, Schafe, Antilopen und Hirsche) und auch Kamele wie Dromedare und Lamas in die Studie einbezogen. Es entstand eine digitale Bibliothek virtueller Knochenmodelle, die, wie auch der Artikel, frei zug?nglich (Open Access) ist (links siehe unten).
3D Knochenmodelle simulieren Bewegungsablauf
Marilena Müller (HU) unterzog die Knochen einer dreidimensionalen statistischen Gestaltanalyse. Die Gestalt des ersten Brustwirbels der Giraffe stach heraus und unterscheidet sich von anderen Paarhufern, die ebenfalls lange H?lse haben, wie beispielsweise bei der Giraffengazelle oder dem Vikunja. Obwohl der Knochen Rippen tr?gt und somit Teil der Brustwirbels?ule ist, ?hnelt er in seiner Gestalt einem Halswirbel. In dieser Hinsicht ist die Giraffe einzigartig.
Luisa Merten (HU) knüpfte dort an und untersuchte die funktionelle Bedeutung dieser Besonderheit. Sie nutzte Software, die eigentlich für Animationsfilme à la Shrek konzipiert wurde. Die Software erlaubt die Simulation der Bewegung zwischen den Wirbeln. Es konnte im virtuellen Experiment genau gemessen werden, wieviel Bewegung m?glich ist, bevor die Knochen kollidieren oder die Gelenke an ihre Grenzen sto?en. Dadurch wurde nachgewiesen, dass der Knochen zu einer Verl?ngerung des Halses beitr?gt.?
Neue Einblicke in die Evolution der Paarhufer
Die Forschenden konnten auch zeigen, dass beispielsweise der siebente Halswirbel der eher kurzhalsigen Wisente im Laufe der Evolution die Gestalt eines Brustwirbels angenommen hat. Dies scheint eine Anpassung zu Gunsten eines besonders robusten ?bergangs vom Hals zum Rumpf bei diesen Tieren zu sein, bei denen die Bullen in der Brunft regelrechte Ringk?mpfe mit den H?rnern austragen. Zudem ?hneln sich die siebenten Halswirbel der langhalsigen Arten auffallend – die charakteristische Gestalt ist mehrmals unabh?ngig voneinander in der Evolution entstanden. ?Die alten naturwissenschaftlichen Sammlungen sind unverzichtbar für das Verst?ndnis der schrittweisen Ver?nderungen im Laufe der Evolution und helfen uns, neue molekular-systematische Ergebnisse einzuordnen und zu bewerten", erkl?rt Dr. Christine B?hmer, Wirbeltierpal?ontologin an der LMU, die sich für die Studie mit der Modellierung der Evolution der anatomischen Strukturen in den vergangenen rund 65 Millionen Jahren befasst hat.
Information
- Link zur Studie?
- Link zu den 3D Modellen der Wirbel
- Animation:?Okapi und Giraffe: Vergleich der Brustwirbel
- Animation:?Okapi and Giraffe Vertebrae Comparison (in english)
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Prof. Dr. John Nyakatura
Humboldt-Universit?t zu Berlin
Institut für Biologie, Lehrstuhl für Vergleichende Zoologie
Tel.: 030 2093-98230
john.nyakatura@hu-berlin.de
Dr. Christine B?hmer
Ludwig-Maximilians-Universit?t München
Department für Geo- und Umweltwissenschaften und GeoBio-Center
boehmer@vertevo.de