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Im Zustand der Unruhe

?ltere Menschen spüren zunehmenden Zeitdruck, so das Ergebnis einer internationalen Studie

Schnelle gesellschaftliche Ver?nderungen k?nnen dazu führen, dass wir uns mehr gehetzt und unter Zeitdruck fühlen. ?ltere Menschen sind da keine Ausnahme, zeigt eine neue Studie von Weill Cornell Medicine (New York) unter Beteiligung von Forschenden der Humboldt-Universit?t zu Berlin.

?Das Ph?nomen, dass wirtschaftliches Wachstum und Modernisierung das Gefühl von Zeitdruck erh?hen, ist als soziale Beschleunigung bekannt. Es wurde bisher haupts?chlich bei jüngeren und berufst?tigen Erwachsenen mittleren Alters untersucht“, so Corinna Loeckenhoff, Professorin in der Abteilung für Entwicklungspsychologie im College of Human Ecology und au?erordentliche Professorin für Gerontologie in der Medizin am Weill Cornell Medicine. Die neue Studie ist die erste, die ?hnliche Effekte bei ?lteren Menschen zeigt, die schon lange nicht mehr im Berufsleben stehen. Die Forschenden spekulieren, dass bei den heutigen Senior:innen die Vereinbarkeit von Freizeit und ehrenamtlichem Engagement oder das Abarbeiten einer ?Bucket List“ dafür verantwortlich sein k?nnten, dass sie sich st?rker unter Zeitdruck fühlen als die Generation vor ihnen.

Neben Loeckenhoff als Erstautorin der Studie sind zehn Co-Autor:innen mehrerer Berliner Institutionen an der Studie beteiligt, darunter die Humboldt-Universit?t zu Berlin, das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und die Charité Universit?tsmedizin, sowie weitere Mitarbeitende in Deutschland, der Schweiz und den USA.

Berlin als idealer Ort für Studie

Die Wissenschaftler:innen analysierten zwei Datens?tze, die sogenannten Berliner Altersstudien (BASE I und BASE II), die im Abstand von etwa 25 Jahren erhoben wurden. In der ersten Studie wurden mehr als 250 ?ltere Erwachsene Anfang der 1990er Jahre zu ihrer Zeitwahrnehmung befragt. Die gleichen Fragen wurden Mitte der 2010er Jahre gestellt. Die Forschenden glichen eine Stichprobe auf der Basis von Alter und Bildung mit der früheren Kohorte ab. Keiner der alternden Studienteilnehmenden war berufst?tig, da in Deutschland bis vor kurzem das Rentenalter bei 65 Jahren lag. Die Stadt Berlin wurde aufgrund ihres starken sozialen Wandels ausgew?hlt, dessen Auswirkungen auf die ?ltere Bev?lkerung untersucht wurden.

?ltere Menschen nehmen heute mehr Zeitdruck wahr als ihre gleichaltrigen Altersgenossen aus den 1990er Jahren, so das Ergebnis der Studie. Auch bei der Zeitwahrnehmung zeigte sich eine gr??ere Variabilit?t in den Antworten bei der heutigen Generation von ?lteren.

?Diese Thematik gewinnt besondere Relevanz, da ?ltere Deutsche über das bisherige gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten, was sie potenziell noch anf?lliger für eine beschleunigte Zeitwahrnehmung machen k?nnte“, sagt Dr. Johanna Drewelies, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Psychologie an der Humboldt-Universit?t.

Ver?nderungen in der Zeitwahrnehmung zu verstehen sei auch deshalb wichtig, weil sie negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben k?nnen, so die Forschenden. Im Arbeitsleben wird wahrgenommener Zeitdruck mit schlechterer k?rperlicher Gesundheit, Stress, erh?htem Blutdruck und Symptomen von Depressionen in Verbindung gebracht. Noch ist allerdings nicht sicher, ob sich diese Effekte von Zeitdruck auch im Alter gelten.

Aktives Alter

Es bedarf auch noch weiterer Forschung, um die Ursachen dafür zu kl?ren, dass ?ltere Menschen sich verst?rkt gehetzt fühlen. Alexandra Freund von der Universit?t Zürich sieht den ?Bucket-List-Effekt“ als m?glichen Grund, da ?ltere zunehmend Freizeit- und soziale Ziele verfolgen, die sie w?hrend ihrer Berufst?tigkeit aufgeschoben haben. Loeckenhoff beobachtet, dass in Deutschland gesunde ?ltere Menschen manchmal scherzen, dass sie sich nicht im Ruhestand, sondern in einem Zustand der ?Unruhe“ bef?nden - in einer aktiven neuen Lebensphase - oder dass ?70 das neue 60“ sei. ?Nur weil die Leute aus dem Berufsleben raus sind, hei?t das nicht, dass die Modernisierung an ihnen vorbeigeht", so die Forscherin.

Studie

?Sociohistorical Change in Urban Older Adults' Perceived Speed of Time and Time Pressure“, in Journals of Gerontology: Psychological Sciences (28.06.2021)

Berliner Altersstudien I und II:
BASE I
BASE II

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Dr. Johanna Drewelies
Institut für Psychologie
Humboldt-Universit?t zu Berlin

Tel. +49 30 2093-4917
johanna.drewelies@hu-berlin.de