?In Bereiche gehen, von denen man nichts versteht¡°
All diese ÈýÒÚÌåÓý¡¤(Öйú)¹Ù·½ÍøÕ¾ erscheinen zun?chst grundverschieden. Bei einem genaueren Blick treten zudem viele unterschiedliche Teilbereiche zutage. An diesem Punkt lassen sich Zusammenh?nge erkennen. Wenn Sie als Wissenschaftler komplexe Systeme untersuchen, finden Sie Gemeinsamkeiten: Ph?nomene die sich in der Physik, Biologie, ?konomie oder in den Gesellschaftswissenschaften beobachten lassen. ?ber die Grenzen wissenschaftlicher F?cher hinweg lassen sich daraus Gesetzm??igkeiten ableiten. Wer also etwa verstanden hat, was ?kologische Systeme so stabil macht, kann auch ein anderes System besser verstehen, zum Beispiel Krisen in der Finanzwirtschaft.
Was l?sst sich aus der ?kologie f¨¹r die Finanzwirtschaft lernen?
Seit der Finanzkrise 2008 ist klar, dass die traditionellen ?konomischen Modelle weder erkl?ren noch vorhersagen k?nnen, wann ein System kollabiert. Seitdem hat sich der wissenschaftliche Blick von der ?konomie auf Konzepte aus der ?kologie und Netzwerktheorie?erweitert. Begriffe wie Kipppunkte, Multistabilit?t und Robustheit gegen¨¹ber St?rungen wurden in die Wirtschaftswissenschaften eingef¨¹hrt. Man untersuchte unter anderem das Netzwerk von 5.000 einzelnen Banken, mit Links des Netzwerks f¨¹r den Transfer von Geldern zwischen einzelnen Banken: Gro?e Banken mit vielen Verbindungen waren typischerweise mit kleineren Banken verbunden, die weniger Verbindungen hatten. Ganz ?hnliche Netzwerkstrukturen findet man in symbiotischen Netzwerken, die aus Bl¨¹tenpflanzen und best?ubenden Insekten gebildet werden. Von diesen ?kologischen Netzwerken ist bekannt: Belastet man die Netzwerke zu stark, erreichen sie einen Kipppunkt und kollabieren irreversibel. Aus dieser Einsicht kann man schlie?en, dass Finanzm?rkte zwar prinzipiell schon eine Struktur besitzen, die das systemische Risiko klein h?lt, aber dennoch durch graduelle ?nderungen, wie zum Beispiel andauerndes Wachstum, immer wieder Kipppunkte erreichen, kollabieren und weltweite Finanzkrisen ausl?sen werden.
Ist das noch interdisziplin?re Forschung ¨C oder schon einen Schritt weiter?
Komplexit?tstheorie ist transdisziplin?r. Es geht nicht blo? darum, zwischen zwei abgegrenzten Disziplinen eine Br¨¹cke zu schlagen, sondern den Blick generell zu weiten. Mit der Zuordnung von Erkenntnissen nach separaten Bereichen gewinnt man wenig. Im Vordergrund, stehen bestimmte Fragen, egal, wo sie inhaltlich verortet sind. Die Fragen bestimmen die Methoden, und nicht umgekehrt. Die gro?en Krisen, mit denen wir als Menschen konfrontiert sind ¨C Pandemien, globale Konflikte, Klimakatastrophe etc. ¨C h?ngen miteinander zusammen. Da wird es notwendig, auch einmal in Bereiche zu gehen, von denen man nichts versteht. Dort er?ffnen sich neue Perspektiven. Verzerrungen der Wahrnehmung, die dadurch entstehen, dass man sich nur mit einem Thema besch?ftigt, lassen sich eher vermeiden, weil man aus Routinen herauskommt. Wissenschaft beginnt buchst?blich ja mit dem Zustand des Unwissens: Wissen schaffen!?
Welche Rolle spielen dabei Spezialisten in ihren inhaltlich klar umrissenen Disziplinen?
Hochspezialisierte Experten bleiben wichtig. Doch es braucht auch den Blick ¨¹ber inhaltliche Grenzen hinaus. Virologische Expertise etwa spielt bei der aktuellen Pandemie eine zentrale Rolle. Aber die Dynamik der Pandemie wird in erster Linie durch menschliches Verhalten beeinflusst, unsere ÈýÒÚÌåÓý¡¤(Öйú)¹Ù·½ÍøÕ¾netzwerke, unsere Risikowahrnehmung?etc. Warum schlagen Corona-Leugner und Impfskeptiker Alarm, wieso entstehen diese Ph?nomene? Hierf¨¹r bedarf es gesellschaftswissenschaftlicher Expertise ¨¹ber Meinungsbildung. All diese Aspekte zusammen betrachtet ergeben ein komplexes System. Um dies zu verstehen, muss Wissen aus unterschiedlichen Bereichen integrativ analysiert werden. Es geht nicht nur um Fakten, sondern um Prozesse. Es kommt darauf an, systemische Strukturen zu erkennen, die hierbei ¨¹bergreifend wirken.
Ihr Buch erkl?rt Laien die Grundlagen der Komplexit?tstheorie auf unterhaltsame Art. Aber Sie verbinden damit auch ein ernstes und dringendes Anliegen: Sind wir noch zu retten?
Ich habe theoretische Physik und Mathematik studiert und fr¨¹h mit komplexen Ph?nomenen au?erhalb der traditionellen Grenzen der Physik besch?ftigt. Besonders interessieren mich Strukturen und Prozesse in komplexen biologischen und sozialen Netzwerken. Dar¨¹ber lehre ich am Institut f¨¹r Biologie. Meine Vorlesung ¨¹ber komplexe Systeme war zun?chst eine Herausforderung, weil das f¨¹r die Studierenden Neuland darstellt. So entstand die erste Idee, dieses abstrakt erscheinende Thema einmal griffig zusammenzufassen. Dar¨¹ber hinaus wird das Bewusstsein f¨¹r komplexe Systeme aber f¨¹r alle wichtig. Stichwort Klimakatastrophe: Das ist ein komplexer, von uns Menschen initiierter Prozess, der das ?berleben unserer Art bedroht ¨C und mit weiteren komplexen Krisen zusammenh?ngt. Wenn wir bei alldem die Kurve kriegen wollen, m¨¹ssen wir uns beeilen. Und funktionieren kann es nur, wenn wir verstehen, wie diese komplexe Welt funktioniert. Deshalb ist Komplexit?tswissenschaft gerade jetzt so wichtig und geht uns alle etwas an.
Interview: Lars Klaa?en
Prof. Dr. Dirk Brockmann?ist am Institut f¨¹r Biologie der Humboldt-Universit?t Berlin und am und am Robert Koch-Institut t?tig. Sein Buch??Im Wald vor lauter B?umen. Unsere komplexe Welt besser verstehen¡°?ist?ab?17. September 2021 erh?ltlich (dtv, 240 Seiten, 22,- €).