
?Die Menschen wollen, dass ihre Alltagsexpertise wahrgenommen, anerkannt und wertgesch?tzt wird“
Was bedeutet das Leben am Wasser im Alltag der Menschen in Berlin und Brandenburg? Und welche Ver?nderungen entstehen durch den Klimawandel? Darüber spricht die Anthropologin Dr. des. Desirée Hetzel in der dritten Folge unserer Reihe ?Die BUA und ich – Protokolle aus dem Exzellenzverbund“.

Die Anthropologin Dr. des. Desirée Hetzel erforscht im
Projekt CliWaC, wie Menschen auf Umweltver?nderungen
reagieren.?Foto: Falk Wei?
Die BUA und ich – Folge 3 mit Dr. des. Desirée Hetzel
Desirée Hetzel ist Sozial- und Kulturanthropologin am Institut für Europ?ische Ethnologie und dem IRI THESys. Sie forscht im Bereich Umweltanthropologie und untersucht Mensch-Umwelt-Beziehungen. Hier berichtet sie über ihre Arbeit im Projekt ?CliWaC“, das die Folgen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt in der Modellregion Berlin-Brandenburg erforscht.
Es flie?t und m?andert, füllt tiefe oder flache Senken, ist trüb oder klar, zeigt sich an der Oberfl?che oder flie?t versteckt im Untergrund: In Berlin und Brandenburg ist Wasser nahezu allgegenw?rtig. Gleichzeitig ist die Region eine der trockensten in Deutschland und der Klimawandel versch?rft bereits bestehende Wasserprobleme: In den vergangenen Sommern sind Flie?gew?sser teilweise ausgetrocknet, durch intensive Dürreperioden und eine h?here Verdunstung sind die Wasserpegel der Seen stark gesunken. Auf der anderen Seite nehmen Unwetter mit Starkregen zu, setzen etwa in Berlin Stra?en und Tunnel unter Wasser und überfordern die Kanalisation.
Die Bev?lkerung nimmt Ver?nderungen sehr sensibel wahr
Das Forschungsprojekt CliWac nimmt die Ver?nderungen des Wasserhaushalts in drei Modellstudien in den Blick. An der Spree und in ihrem Einzugsgebiet, am Sacrower und Gro? Glienicker See und in der Metropolregion Berlin untersucht es, welche Probleme bereits heute beobachtet werden und welche künftig noch zu erwarten sind. Rund 50 Wissenschaftler*innen aus allen vier Verbundpartnerinnen der BUA sind Teil des Konsortiums. Gemeinsam wollen wir herausfinden, wie sich die Region anpassen kann und welche L?sungen es für die Wasserprobleme geben k?nnte.
Das Wissen über den Wasserhaushalt ist sehr divers: Auf der einen Seite gibt es die wissenschaftliche Expertise verschiedener Disziplinen – mit einer naturwissenschaftlichen und einer sozialwissenschaftlichen Gruppe in CliWaC, die sich untereinander austauschen. Au?erdem gibt es die fachlichen Expertinnen und Experten, die sich beruflich mit dem Thema Wasser, mit Flüssen, Seen oder Niederschl?gen besch?ftigen und zu denen viele Entscheidungstr?ger*innen in ?mtern und Beh?rden geh?ren. Und dann gibt es die Menschen vor Ort, die ebenfalls wichtiges Wissen beisteuern k?nnen. Zu den Gew?ssern vor ihrer Haustür hat die Bev?lkerung eine allt?gliche, sehr direkte Verbindung und sie nimmt Ver?nderungen sehr sensibel wahr. Es ist notwendig, eine Brücke zwischen diesen ganz unterschiedlichen Expertisen zu schaffen, die nebeneinander stehen und alle gleich wichtig sind. Und genau das versuchen wir in CliWaC.
Anthropologische Forschung liefert umfassende Einblicke
Die Basis meiner Untersuchungen ist die ethnografische Arbeit. Das hei?t, ich arbeite mit den Menschen vor Ort zusammen und hole sie als ?Alltagsexpert*innen in das Projekt. Ich frage sie, was Wasser in ihrem Alltag bedeutet, welche Ver?nderungen sie beobachten, was das für Folgen hat und was aus ihrer Sicht wichtig w?re, zu tun.
In den vergangenen Monaten war ich dafür oft an den Gew?ssern unserer Modellregion unterwegs und habe mit vielen Menschen gesprochen. Zum Teil habe ich viel Zeit mit ihnen verbracht und bin mehrere Tage bei ihnen zu Hause geblieben, um ihren Alltag kennenzulernen. Das ist in der anthropologischen Forschung g?ngige Praxis und f?rdert h?ufig 三亿体育·(中国)官方网站 zutage, die in einem nur einstündigen Gespr?ch oder bei kurzen Besuchen nicht auftauchen würden. Als Forscherin zeige ich damit auch Interesse am Leben und Alltag, den Sorgen, N?ten und Wünschen der Menschen. Sie erz?hlen mir, was in ihrem Leben gerade wichtig ist und warum das so ist. Das ergibt dann ein umfassendes Bild über ?konomische, soziale und kulturelle Bereiche des Lebens in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Wasser ist eine lebenswichtige Ressource. Was bedeutet sie im Alltag
der Menschen in Berlin und Brandenburg??Foto: Stefan Klenke
Wasser bedeutet Gemeinschaftsleben
In diesen Gespr?chen zeigt sich: Das Thema Wasser ist sehr pr?sent. Die Anwohner*innen am Gro? Glienicker und am Sacrower See bemerken deutliche Ver?nderungen. Die Uferlinie verschiebt sich, weil die Wasserpegel sinken. Für die Menschen am Westufer des Gro? Glienicker Sees markierte das Wasser lange Zeit eine unüberwindbare Grenze zwischen DDR und BRD. Nach dem Mauerfall hatte man hier pl?tzlich wieder Zugang zum Wasser. Hier lernten die Kinder schwimmen und man traf sich zu Silvester am See mit der Dorfgemeinschaft, um das neue Jahr zu begrü?en. Im Sommer gibt es Kino auf einer Wiese, Badem?glichkeiten und Treffpunkte zum Grillen oder Angeln. Das Wasser ist immer wieder ein zentraler Anknüpfungspunkt für das Gemeinschaftsleben.
Das alles ver?ndert sich gerade, da der Wasserspiegel massiv sinkt. Die einstigen Treffpunkte sind nun weit entfernt vom Ufer. Das macht den Menschen Sorge und sie haben viele Fragen. Es gibt dadurch aber auch neue Solidarit?ten über den See hinweg, die Menschen schlie?en sich zusammen, um gemeinsam etwas zu tun. Dieses Nachdenken über Ver?nderungen in der n?herenUmgebung gibt h?ufig auch den Ansto?, über andere Umweltver?nderungen nachzudenken, die über die Region hinausgehen.
Gartenzaungespr?che im Spreewald
In meinen Gespr?chen geht es oft auch um Umweltver?nderungen und menschliche Einflüsse. Das wird besonders in der Spreewaldregion deutlich, die sich durch den Kohleabbau stark ver?ndert hat. Die Region befindet sich heute im Umbruch. Mit dem Ende der Kohle wird auf lange Sicht weniger Wasser in die Spree geleitet, da das Grundwasser in den Tagebauen nicht mehr abgepumpt wird. Das ist spannend, da die Spree auch für die Wasserversorgung Berlins entscheidend ist. Gleichzeitig steigt an anderen Stellen das Grundwasser und setzt wohlm?glich Grundstücke unter Wasser. Wie nehmen die Anwohner*innen diese potenziellen Konflikte wahr? Wie kann ein geeignetes Wassermanagement in der Zukunft aussehen? Und was macht das alles mit der Landschaft, die sie über Generationen hinweg kennen?
Im vergangenen Mai war ich dort lange mit dem Fahrrad unterwegs und habe unter anderem ?Gartenzaungespr?che“ mit Leuten, die dort wohnen oder einen Kleingarten haben, geführt. Meine Erfahrung war durchweg positiv: Die Menschen waren froh, dass jemand vorbeikommt, ihnen zuh?rt und auch ihre Sorgen wahrnimmt. Sie wollen wissen, was los ist, sie wollen mitreden und sie wollen Zugang zum Wasser in ihrer Region haben. Es ging oft auch um andere 三亿体育·(中国)官方网站, die den Leuten gerade auf den N?geln brennen.
Auch Forschende k?nnen nicht vorhersagen, was passiert
Die Aussage ?Wir leben in unsicheren Zeiten“ h?re ich bei meinen Besuchen ?fter. Die Menschen haben das grundlegende Gefühl, etwas tun zu müssen. Gleichzeitig spüren sie aber, dass das sehr schwierig ist. Wir leben in Zeiten von multiplen Krisen und die Leute sind sich unsicher, was sie als Einzelpersonen oder als Gemeinschaften überhaupt noch dagegen tun k?nnen.
Wir k?nnen auch als Forschende nicht vorhersagen, was passiert. Und wir haben kein Patentrezept für eine L?sung. Aber trotz aller Unsicherheiten es ist wichtig, darüber zu sprechen und zu kommunizieren, wie m?gliche L?sungswege aussehen k?nnten. Die Menschen wollen, dass ihre Alltagsexpertise, ihr Wissen über das Leben am und mit dem Wasser in diesem Diskurs wahrgenommen, anerkannt und wertgesch?tzt wird. Wie k?nnen wir besser miteinander ins Gespr?ch kommen? Wo erhalten wir verl?ssliche 三亿体育·(中国)官方网站? Diese Fragen bewegen die Menschen.
Die Erkenntnisse meiner ethnografischen Forschung nutze ich, um Empfehlungen für die Politik abzuleiten und ich bringe sie auch in ein Wissenschaftskommunikationsprojekt ein, das mit 三亿体育·(中国)官方网站 vor Ort pr?sent ist. Das Projekt ?AnthropoScenes“, gleitet von Pauline Münch, arbeitet mit Künstler*innen und Schauspieler*innen zusammen, um wissenschaftliche Erkenntnisse auf neue Art und Weise zu vermitteln. Dazu geh?rt etwa eine partizipative Kunstinstallation im Spreewald, die verschiedene Perspektiven einf?ngt und die Menschen vor Ort einbindet. Es geht immer darum, miteinander ins Gespr?ch zu kommen, Impulse und Denkanst??e zu liefern und einen Dialog aufzubauen. Denn nur gemeinsam werden wir L?sungen finden.
Zum Projekt
Das Forschungsprojekt ?Climate and Water under Change“ (CliWaC) erforscht durch den Klimawandel verursachte Risiken zur Verfügbarkeit und Qualit?t von Wasser. Gemeinsam mit Wirtschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Politik sucht das Konsortium nach L?sungen für eine nachhaltige Nutzung der Ressource Wasser. Das Vorhaben Projekt wird von 2021 bis 2024 als Einstein Research Unit von der Berlin University Alliance (BUA) und der Einstein Stiftung Berlin gef?rdert. Beteiligt sind alle vier Verbundpartnerinnen der BUA.
?ber die Reihe ?Die BUA und ich“ – Protokolle aus dem Exzellenzverbund
Die Humboldt-Universit?t bildet gemeinsam mit der Freien Universit?t Berlin, der Technischen Universit?t Berlin und der Charité – Universit?tsmedizin den Exzellenzverbund Berlin University Alliance (BUA). In der Reihe ?Die BUA und ich“ berichten Forschende und Mitarbeitende der HU von ihren Projekten, die mit Exzellenzmitteln gef?rdert werden.
?Die BUA und ich“ – Folge 1: Dr. Yong-Mi Rauch
?Die BUA und ich“ – Folge 2: Prof. Dr. Manuela Bojad?ijev
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