??Rettung des Weltklimas aus dem Geiste der deutschen Ode‘? Marion Poschmann und Friedrich Gottlieb Klopstock“
Für ihre Bachelorarbeit am Institut für Deutsche Literatur wurde Marielena Rasch mit dem Humboldt-Preis 2023 ausgezeichnet.
In der Gegenwartslyrik ist der Klimawandel pr?sent, ver?ndert sich doch mit der Natur auch die Umwelt?der Dichtung. Angesichts seines zerst?rerischen Potentials werden gesellschaftspolitische Fragen virulent, die nicht zuletzt die Rolle der Literatur betreffen. Fand die ?kokritik in den 1970er Jahren Einzug in Gedichte, die mit aktivistischen Forderungen?Hoffnung auf politische Einflussnahme verbanden, bildete sich seit der Jahrtausendwende eine subtilere Form ?kologisch bewusster Naturlyrik aus. Eine zentrale Akteurin derselben ist Marion Poschmann, erste Preistr?gerin?des?Deutschen?Preises für?Nature Writing. In ihrem lyrischen Schaffen?tr?gt besonders die Form der Ode?eine ?kokritische?Semantik. Im Spiel mit der bis in die Antike zurückreichenden Gattungsgeschichte und ihrer für den deutschen Sprachraum wirkm?chtigen Pr?gung durch Friedrich Gottlieb Klopstock fokussieren Poschmanns Oden die ?kologischen Zukunftsfragen der Gegenwart durch das Brennglas historischer Reflexion.
?Langsam wandelt / die schwarze Wolke.? – Die dialektische Spannung aus Friedrich Gottlieb Klopstocks?berühmter Ode Frühlingsfeyer ist Marion Poschmanns Gedichtband Nimbus als Motto eingeschrieben, das die Vorzeichen für eine klimabewusste, zugleich historisch-reflektierte Lyrik setzt. Poschmanns Programm einer ?Revitalisierung der Ode?, die den Menschen des 21.?Jahrhunderts für ein empathisches Naturverst?ndnis sensibilisieren soll, knüpft an Klopstocks subjektive Gefühlspoetik an, die in innovativen Experimenten mit der?Odenform?– von strengen antiken Strophen bis hin zu freien Rhythmen – ihre Auspr?gung fand.?An Klopstocks Frühlingsfeyer und ihrer Textgenese lassen sichgleicherma?en werkpolitische, ?sthetische und poetologische Ideen neu beleuchten. Die metrische und strukturelle Analyse stellt eine Orientierung an horazischen und pindarischen Mustern heraus und?gibt Aufschluss über formsemantische Merkmale, die für Poschmanns Klopstock-Rezeption von besonderer Relevanz sind.
Ein Close Reading ausgew?hlter Oden zeigt, dass?Marion Poschmann die Gattungsentwicklung bei Klopstock durch intertextuelle und metrische Referenzen nachvollzieht und die Variabilit?t der Form in eigenen Experimenten produktiv macht. Beginnend mit antiken Oden nach der Natur?und?rekombinierten?Strophen?der?Badeoden, zeigt sich das freirhythmische Gedicht Wolkenportale als ?kokritische Aktualisierung der Frühlingsfeyer, w?hrend die Autorin in Ordnungen der Wildnis mit geordnet wuchernden sapphischen Odenversen?zu einer neuen ?kologischen Form der Ode findet.?Die Dimensionen von ?kokritik und Formexperiment bedingen sich gegenseitig;?gerade ob der Verkopplung von historischer Signatur und gro?em Potential für formale Aktualisierungen erweist sich die Ode als paradigmatische Gattung reflektierter Neusch?pfungen.?Die gattungsgeschichtliche und formsemantische Perspektivierung von Poschmanns Oden?erweitert den?aktuellen Forschungsdiskurs?über?zeitgen?ssische ?kokritische Lyrik und unterstreicht die fortw?hrende Bedeutung von Literatur als Medium gesellschaftlicher Reflexion.
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