Humboldt-Universit?t zu Berlin

?Wir wollten ein europ?isches Gespr?ch“

Christoph M?llers ist Leibniz-Preistr?ger 2016

Christoph M?llers
Abb.: Matthias Heyde

Foto: Matthias Heyde

Christoph M?llers, Professor für ?ffentliches Recht und Rechtsphilosophie und Leibniz-Preistr?ger 2016, spricht über den Verfassungsblog, den ersten Blog zu verfassungsrechtlichen Fragen.

Herr M?llers, von 2013 bis 2015 wurden Sie durch ?Freir?ume“ gef?rdert. Die F?rderlinie unterstützt HU-Wissenschaftler bei geisteswissenschaftlichen Forschungsprojekten oder der Diskussion noch unbehandelter 三亿体育·(中国)官方网站. Dabei wirkten Sie am 2009 gegründeten verfassungsblog.de mit. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Der Blog wurde vom Juristen und Journalisten Maximilian Steinbeis als ein innovatives Format entwickelt, das eine Lücke zwischen wissenschaftlichen Publikationen und Zeitungsberichten füllen sollte: schneller als erstere, wissenschaftlicher als letztere. Am Anfang war das ein Ein-Mann-Projekt, das viel Aufmerksamkeit erregte. Steinbeis traf ich zuf?llig über Recht im Kontext, ein Programm beim Wissenschaftskolleg. Wir nahmen uns vor, den Blog zu verwissenschaftlichen und zu internationalisieren.

Stand dabei das wissenschaftliche Arbeiten oder das Kommunizieren von dessen Ergebnissen im Mittelpunkt?

Wir sind uns nicht sicher, ob man das auseinanderhalten kann. Wichtig ist, dass es eine neue Form der Kommunikation ist, die nicht aus der Wissenschaft kommt und die bestimmte Wissenschaftsformen nicht ersetzen kann. Gleichzeitig kann es eine eigenst?ndige wissenschaftliche Form sein.

Wie wirkt sich das Medium auf das wissenschaftliche Arbeiten aus?

Es wird kurztaktiger. Das ist gut, weil man auf Probleme reagieren kann, schlecht, weil man für Reflexion Zeit braucht.

Kann das die Zukunft von Wissenschaft sein?

Es ist ja schon die Gegenwart. Das war der erste Blog auf diesem Gebiet, jetzt haben wir schon eine Menge weiterer.

Aber wenn das bereits Gegenwart sein soll, warum wird dann gewünscht, dass aus dem wissenschaftlichen Freiraum eine Monografie hervorgeht?

Ja, das k?nnen wir nicht bieten. Bei uns kommt keine Monografie heraus. (lacht) Wir hatten die M?glichkeit, mit dem Blog andere Formate wie internetbegleitete Konferenzen auszuprobieren, die zu einem Buch werden, zu einem Sammelband.

Den Ansatz des Blogs beschreiben Sie als interdisziplin?r, transnational, subjektiv und risikofreudig.

Mir war am wichtigsten, dass ein genuin europ?ischer Gespr?chszusammenhang über verfassungsrechtliche Fragen entsteht. Wir haben sehr schnell Beitr?ge auf sehr hohem Niveau von polnischen Kollegen über die aktuelle Polenkrise, ebenso über Ungarn, aber auch über Entwicklungen, die sonst keiner wahrnimmt. Es geht darum, Meinungen zu vertreten, begründete Urteile zu f?llen und nicht nur die Chronik der laufenden Ereignisse zu schreiben. Bisher haben daran über 450 Autoren mitgewirkt.

Wie wird man eigentlich Autor?

Steinbeis streckt seine Fühler breit im Netz aus und fragt Autoren an, gleichzeitig kommen andere auf uns zu, vor allem Nachwuchswissenschaftlerinnen, die uns gerne
als Publikation angeben wollen. Auch kooperieren wir mit anderen Blogs, tauschen Beitr?ge und Autoren aus. Wir stehen ja nicht in einem ?konomischen Konkurrenzverh?ltnis zueinander.

Wie evaluiert man ein solches Projekt am Ende? Oder sind Austausch, Vernetzung und der Ansto? zu tiefer gehender Forschung schon der eigentliche Erfolg?

Ich würde das tats?chlich behaupten. Der Blog sieht nach zwei Jahren wissenschaftlicher aus, er wird von Wissenschaftlern, aber auch in Ministerien und Kanzleien permanent beobachtet. Das finde ich ganz erstaunlich.

Woher kommt eigentlich Ihr Interesse für das Thema Verfassungsrecht?

Im Grunde ist Verfassungsrecht die Verknüpfung von Recht und Politik. Mich interessiert diese Formalisierung von Politik und die Politisierung von Recht: Ein Ph?nomen, das nach dem Zweiten Weltkrieg global an Bedeutung gewonnen hat, wie man es nicht erwartet h?tte, und das viele aktuelle Probleme abbildet, wenn auch nicht immer l?st.

Im Dezember wurde bekannt gegeben, dass Sie den F?rderpreis im Gottfried Wilhelm Leibniz-Programm der DFG 2016 erhalten. Geehrt werden Sie für Ihre ?herausragenden Arbeiten zum ?ffentlichen Recht, namentlich zum Verfassungsrecht“, wobei sie einen inhaltlich gro?en, interdisziplin?ren Bogen spannen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Oh, ich freue mich darüber sehr! Ich habe Kollegen, die sich über diesen Preis seit zwanzig Jahren freuen. Ich hoffe, bei mir wird das genauso lange anhalten. Es ist einfach sch?n, anerkannt zu werden.

Ihnen stehen nun bis zu 2,5 Millionen Euro zu, die Sie innerhalb von sieben Jahren projektbezogen verwenden dürfen. Wissen Sie bereits, welche Projekte Sie f?rdern wollen?

Im Sommersemester nehme ich Elternzeit und denke darüber nach. Es liegt sehr viel brach im Bereich des Verfassungs- und des Rechtstheorievergleichs. Man muss aber sehr aufpassen, dass man nicht zu viel Struktur aufbaut, denn man will ja frei bleiben für seine eigene Arbeit.

Das Gespr?ch führte Michael Thiele. Es erschien erstmals in der HUMBOLDT Februar 2016.

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