Keine Angst vorm Abbruch
Ergebnisoffene Beratung. Es geht darum, sich auf die Studierenden
einzulassen und ihnen zu helfen, ihre Gedanken zu ordnen.
Das Angebot wird sogar von Hochschülern anderer Universit?ten
wahrgenommen. Foto: Andreas Sü?
Frust in der Vorlesung, Druck von den Eltern, Stress mit Professoren, zu wenig Geld zum Leben – Studium abbrechen? Mit diesem Gedanken besch?ftigen sich mehr Studierende als man denkt: Im Schnitt brechen rund 30 Prozent der Bachelorstudierenden in Deutschland ihr Studium ab. Eine betr?chtliche Zahl, dennoch wird kaum über das Thema gesprochen. ?Es ist ein Tabu“, sagt Hedda Zechner von der Studienberatung der Humboldt- Universit?t. ?Zumeinen für die Studierenden, die sich nicht trauen, darüber mit Kommilitonen oder der Familie zu sprechen,zum anderen für die三亿体育·(中国)官方网站n, die sich ungern mit dem Thema auseinandersetzen wollen.“
Die Humboldt-Uni hat als bislang erste Berliner Universit?t mit diesem Tabu gebrochen: Unter dem Titel ?Dropout“ startete sie im M?rz 2016 ein Projekt, das ein neugeschaffenes Beratungsangebot für Zweifler und potenzielle Studienabbrecher beinhaltet und parallel die Ursachen für Studienabbrüche untersucht. ?Wir haben den Studienabbruch gezielt zum Thema gemacht, um Studierende anzusprechen, die wir bisher kaum erreicht haben“, sagt Zechner, die das Projekt leitet.
Vielf?ltige Gründe für Studienabbruch
Und tats?chlich: Die ?Perspektivenberatung Studienausstieg“, die seitdem einmal pro Woche stattfindet, und seit Oktober 2017 auch auf dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Campus Adlershof angeboten wird, war von Anfang an gut besucht. ?Selbst Studierende anderer 三亿体育·(中国)官方网站n kommen zu uns“, sagt Hedda Zechner. Im Schnitt besuchen pro Woche fünf Studierende die Beratung. ?Die Ratsuchenden kann man grob in zwei Gruppen unterteilen“, sagt Studienberaterin Stefanie Jungbauer. ?Diejenigen, die relativ früh merken, dass ihnen ihr Fach nicht gef?llt, und diejenigen, die zum Teil schon zweistellige Semesterzahlen verzeichnen und das Thema lange vor sich hergeschoben haben.“
Die Gründe für einen Studienabbruch sind sehr vielseitig, unter anderem k?nnen falsche Erwartungen an das Studium ausschlaggebend sein. ?Zum Beispiel rechnen manche BWL-Studierende nicht mit so einem hohen Matheanteil“, sagt Jungbauer. ?Auch Jura-Studierende kommen h?ufiger zu uns. Manche von ihnen haben den Anspruch, etwas gesellschaftlich ver?ndern zu wollen, und stellen dann fest, dass es vielmehr darum geht, Gesetzestexte zu interpretieren.“ Und Biologie-Studierende merken manchmal erst im Studium, dass dieses sehr forschungsnah ausgerichtet ist und die Praxis ihren Vorstellungen mehr entspricht.
?Es gibt Studierende, die sich unbewusst schon für den Ausstieg entschieden haben, was jedoch erst in der Sprechstunde klar wird. Andere sind unsicher und wissen nicht, welchen Interessen sie folgen sollen“, sagt Jungbauer und Zechner erg?nzt: ?Manche sind aber auch wie in einem Hamsterrad gefangen und haben oft nicht den Mut auszusteigen.“
Ergebnisoffene Beratung
Wer in die Beratung geht, muss nicht befürchten, dort zum Weiterführen seines Studiums überredet zu werden. Denn die Beratung ist ergebnisoffen. ?Es geht darum, sich auf die Studierenden einzulassen und ihnen zu helfen, ihre Gedanken zu ordnen“, erkl?rt Jungbauer. ?Für viele ist es eine Erleichterung, dass sie von uns nicht bewertet werden und ihre Zweifel frei ?u?ern k?nnen.“
Zun?chst wird im Gespr?ch nach den Ursachen gesucht: Was waren die Motive für das Studium? Haben sich diese mittlerweile ge?ndert? Ist der Stoff zu schwer? Gibt es Belastungen durch famili?re Verpflichtungen oder den Job? Anschlie?end geht es darum, Perspektiven aufzuzeigen und bei der Entscheidungsfindung zu helfen. ?Vielen ist gar nicht bewusst, dass es Programme für Studienaussteiger gibt, etwa ,Your Turn’ von der Industrie- und Handelskammer, wo man sich Studienleistungen anerkennen lassen kann“, sagt die Studienberaterin. Auch im Handwerk sind Studienabbrecher durchaus begehrt, auch wenn viele Studierende diesen Wechsel immer noch als Abstieg sehen würden, so Zechner. Die Ratsuchenden werden bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützt, sie wird ihnen nicht abgenommen. ?Manchmal kommen Studierende mit der konkreten Frage: Soll ich abbrechen?“, sagt Jungbauer. ?Wir geben die Frage immer zurück: Was würdest du einem Freund raten? Die Verantwortung für die Entscheidung bleibt bei den Studierenden.“
Die Angst vor dem Abbruch ist gro?
Die Beratung ist nur ein Teil des Dropout-Projekts, zus?tzlich finden Infoveranstaltungen und Workshops statt, die zusammen mit der IHK, der Handwerkskammer oder dem Career Center und der psychologischen Beratung der HU durchgeführt werden. Zudem k?nnen Studierende den Online-Test ?Prevdrop“ nutzen: Dieser wurde von der 三亿体育·(中国)官方网站 der Bundesagentur für Arbeit entwickelt. ?ber einen Fragenkatalog kann man sein pers?nliches Risiko zum Abbruch ermitteln und dabei über m?gliche Ursachen reflektieren.
Seit dem Start von ?Dropout“ werden zusammen mit dem Prüfungsservice der HU Daten zu Studienausstiegen analysiert, um eine statistische Basis für künftige Strategien zu haben. Demn?chst startet die zweite Projektphase: Um die Ursachen und Entscheidungsprozesse zu erforschen, sollen qualitative Interviews mit Studienabbrechern und -zweiflern geführt werden. Tats?chlich sei die Angst vor dem Abbruch gro?; für viele ist das Thema mit Versagens?ngsten behaftet. ?Ratsuchende denken: Jetzt habe ich mir meinen Lebenslauf verbaut, ich bin ein Loser, ich werde keine Arbeit finden – aber das ist einfach nicht die Wahrheit“, so Jungbauer.
?Die Vorstellung von einem linearen Lebenslauf ist bei vielen noch ganz stark. Es herrscht ein gro?es Sicherheitsbedürfnis, und die Erlaubnis sich auszuprobieren, ist in vielen K?pfen nicht vorhanden.“ Auch um diese geistigen Vorstellungen zu durchbrechen und mit dem Thema unverkrampfter umzugehen, wurde das ?Dropout“-Projekt ins Leben gerufen.
Autor: Erik Wenk
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