Humboldt-Universit?t zu Berlin

Jahresempfang Adlershof

Ansprache des Pr?sidenten vom 8. Februar 2010

Wozu Jahresempf?nge? Anmerkungen im Jubil?umsjahr

Sie ahnen, meine liebe Herren Schmitz, Steindorf, Schlaubitz, Seiff, Raetz, Eberhard und Wedler, sehr verehrte Damen und Herren - Sie ahnen: Ober- und Untertitel dessen, was ich Ihnen heute zum Jahresempfang vortragen m?chte, geh?ren zusammen. Denn ich bin natürlich nicht vollkommen von allen guten Geistern verlassen und m?chte ebenso natürlich nicht vor ihnen über den Sinn und Unsinn von Jahresempf?ngen an und für sich grübeln. W?re ich ein Feind der Praxis, sich zu Beginn des Jahres gemeinschaftlich darüber zu versichern, was im Neuen Jahr ansteht, h?tte ich die Einladung, heute Abend zu ihnen zu sprechen, besser nicht angenommen. Da? ich vielmehr ein Freund dieser Praxis bin, braucht nicht eigens versichert zu werden; schlie?lich bin ich hier, da k?nnen sie sich ungef?hr zusammenzureimen wie ich zu Jahresempf?ngen stehe. Au?erdem hat zum Grunds?tzlichen Erich K?stner, den wir meist als reinen Kinderbuchautor untersch?tzen, eigentlich alles gesagt:? "'Wird's besser? Wird's schlimmer?'/ fragt man allj?hrlich./ Seien wir ehrlich:/ Leben ist immer/ lebensgef?hrlich".

So grunds?tzlich also nicht. Obertitel und Untertitel meiner kleinen Ansprache geh?ren im strengen Sinne zusammen - die allgemeine Frage "Wozu Jahresempf?nge?" soll heute mit strengen Blick auf das gro?e Jubil?umsjahr 2010 bedacht und beantwortet werden, genauer in vier Punkten.

(1) Jahresempf?nge an der Schwelle von Jubil?umsjahren - denn wir stehen ja nicht nur am Beginn des Berliner Wissenschaftsjahres 2010, sondern am Ende des Adlershofer Jubil?umsjahres 2009 mit seinen vielen 三亿体育·(中国)官方网站 und mitten in den Feierlichkeiten des zweihundertj?hrigen Jubil?ums unserer Universit?t -, also Jahresempf?nge an der Schwelle und mitten in Jubil?umsjahren bieten die Chance, einmal grunds?tzlich zu fragen, wohin die Reise gehen soll. Ich warne aber davor, larmoyant auf die gro?e Berliner Wissenschaftstradition zu blicken und angesichts der gro?en Vergangenheit in unsere üblichen Klagen auszubrechen. Natürlich gilt: Es k?nnte trotz hoffnungsvoller Zeichen besser stehen mit der Finanzierung der Berliner Wissenschaft durch das Land; der Auftakt der Einsteinstiftung, auf die viele und ich dazu sehnlichst gewartet haben, geriet nicht eben flüssig und reibungslos; die Zusammenarbeit der drei Berliner Universit?ten ist, trotz verhei?ungsvoller Ausnahmen gelinde gesagt, verbesserungsf?hig und die agonalen Zwischenrufe des im Abgang befindlichen Dahlemer Kollegen bereiteten in der Vergangenheit m??iges Vergnügen. Aber ein Jubil?um bietet die wunderbare Gelegenheit, diese aus Presse, Funk und Fernsehen vertrauten Klageges?nge einmal zu unterlassen. Es gibt immerhin diesmal nicht weniger Geld wie in allen vorherigen Jahren; die Einsteinstiftung hat sich mit einem beeindruckenden Kongre? der ?ffentlichkeit vorgestellt; die erfolgreiche Kooperation der Berliner Mathematiker, natürlich auch der Adlershofer Mathematiker, hat wieder einmal h?chste Anerkennung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft erhalten. Und wir h?ren inzwischen auch die Signale zur Kooperation aus Dahlem, die es immer schon gab, wieder viel deutlicher, weil die St?rsender abgeschaltet worden sind. Wir müssen aber noch viel entschlossener, viel offener, viel energischer kooperieren, wenn wir mit den anderen gro?en Standorten des Landes und der Welt mithalten wollen; die enge Kooperation der Adlershofer Einrichtungen ist hier ein Vorbild für die ganze Stadt und die eigentliche Herausforderung besteht darin, noch engere institutionelle Formen der Zusammenarbeit in Berlin zu inaugurieren - warum sollten wir eigentlich nicht in den kommenden Monaten überlegen, wie sich das Aachen-Jülicher Kooperationsmodell auf Berlin anwenden l??t?

(2) Jahresempf?nge an der Schwelle von Jubil?umsjahren und mitten in Jubil?umsjahren bieten aber auch die Chance, sehr konkret zu formulieren, wohin die Reise in den n?chsten Jahren gehen soll. Wir haben in den vergangenen Jahren als Universit?tsleitung einzelne Institute in Adlershof energisch zu st?rken versucht - die Mathematik und die Chemie waren bereits in beeindruckender Weise in Wettbewerben erfolgreich, vom Matheon sprach ich, das Exzellenzcluster Katalyse sollte ich nicht unerw?hnt lassen. Selbst einem Geisteswissenschaftler im Pr?sidentenamt f?llt auf, wenn der Kollege Hecht mit anderen in "Science" über die elektrische Leitf?higkeit einzelner langer molekularer Dr?hte handelt , denn der Pr?sident liest zu Bildungszwecken seit viereinhalb Jahren "Nature" und "Science". Nun müssen wir uns gemeinsam noch weiter um die Physik bemühen, damit auch sie in der n?chsten Runde des Wettbewerbs die Auszeichnungen bekommt, die sie verdient - die Herren Kollegen Rabe und Koch samt anderen Physikern aus dem Sonderforschungsbereich 448 haben ja, wie ich in "Nature Nanotechnology" sehen konnte, wichtige Grundlagen für kleinste optoelektronisch aktive Bauelemente gelegt? und Herrn Kollegen Els?sser vom Max-Born-Institut, zugleich Professor für Physik meiner Universit?t, darf ich an dieser Stelle noch einmal herzlich zu seinem advanced grant des ERC gratulieren . Ich freue mich von Herzen darüber, welche Unterstützung wir als Humboldt-Universit?t bei solchen Profilierungsma?nahmen nicht nur von den unterschiedlichen au?eruniversit?ren Forschungseinrichtungen hier in Adlershof, sondern auch von der WISTA-MANAGENENT GMBH, der Adlershof Projekt GmbH, der Adlershof Facility Management GmbH, der Innovations-Zentrum Berlin Management GmbH und dem Technologiekreis Adlershof e.V. bei allen Bemühungen um eine weitere Profilierung der hiesigen Wissenschaften bekommen haben und in Zukunft sicher auch noch bekommen werden; auch im Bereich der Klima- und Nachhaltigkeitsforschung sehe ich, insbesondere durch die Kooperation mit den Potsdamer Einrichtungen, noch erhebliche Wachstumspotentiale; im Jubil?umsjahr ist gerade auf diesem Feld allerlei geplant: Ich erw?hne nur die gro?e Konferenz "Continents under Climate Change" Ende April, auf der der Bayer Klima Award verliehen wird; es werden aber auch die Studierenden der Geographie eine Studierendenkonferenz zum 三亿体育·(中国)官方网站feld "Nachhaltigkeit" auf die Beine stellen.

(3) Jahresempf?nge an der Schwelle von Jubil?umsjahren und mitten in Jubil?umsjahren bieten sodann auch die Chance, nochmals alle daran zu erinnern, was im vergangenen Jahr Gewichtiges geleistet wurde: Die Humboldt-Universit?t hat im vergangenen Jahr die Integrativen Forschungsinstitute gegründet, die einzurichten sie im letzten Exzellenzantrag versprochen hatte: In Mitte forschen mit namhaften Drittmitteln Neurologen und Philosophen im "Center for Integrative Life Sciences", wir haben zwei Forschungskollegs zu 三亿体育·(中国)官方网站 der Regional- und Bildwissenschaften, die vom BMBF und der DFG finanziert werden. Und nun entsteht als viertes dieser Institute hier in Adlershof das IRIS - Integrative Research Institute for the Sciences - Adlershof und wir wollen es in den n?chsten Jahren als ein fachspezifisches Institute for Advanced Study profilieren. Ein von Norbert Koch geplantes "Open Access Laboratory" soll als gemeinsame Basis für kooperative Forschungsprojekte zwischen der Humboldt-Universit?t und Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft dienen; in einem ersten Schritt soll ein Konzept für ein Entwicklungslabor für die organische und molekulare Elektronik realisiert werden. Wir sollten in den n?chsten Monaten miteinander überlegen, ob wir eine solche Struktur eines disziplinenspezifischen Institute for Advanced Study, das vorzüglich das eine, traditionsreiche multidisziplin?re Institute in der Wallotstra?e erg?nzen kann, nicht noch st?rker gemeinsam aufsetzen und gestalten k?nnen. Und eine zweite Neugründung des vergangenen Jahres m?chte ich ebenfalls noch erw?hnen, weil einer der angenehmen Nebeneffekte dieser Institution ist, da? ein Adlershofer Urgestein in neuer Funktion segensreich für den Standort wirken kann: Ich meine das Humboldt-ProMINT-Kolleg, das bei der Telekom-Stiftung eingeworben werden konnte und in dessen Rahmen ein Verbund von Physikern, Mathematikern, Chemikern und Informatikern sich um die Verbesserung der Lehrerausbildung in den MINT-F?chern kümmern wird. Und da? ich damit zugleich darauf anspiele, da? Ingolf Hertel, dem wir alle hier so viel verdanken, durch Mittel der Heraeus-Stiftung als Seniorprofessor im Humboldt-ProMINT-Kolleg aktiv mitwirkt, haben sie ja ohnehin schon alle geahnt .

(4) Jahresempf?nge an der Schwelle von Jubil?umsjahren und mitten in Jubil?umsjahren bieten schlie?lich auch die Chance, nochmals an die guten Vors?tze von Neujahr zu erinnern - und da ist es vollkommen gleichgültig, ob diese guten Vors?tze von Neujahr 2010 stammen oder etwas ?lter sind; man sollte ja nicht sagen k?nnen: "Neuschnee bedeckte die Landschaft - und unsere guten Vors?tze". Wir haben gemeinsam schon viel für die Infrastruktur hier getan, ich erinnere an die Sporthalle in der Rudower Stra?e, die von der unserem Hochschulsport betrieben wird, aber auch für alle Mitarbeitenden der Adlershofer Forschungsinstitute und Unternehmen offen steht, und an den "Adlershofer Gesundheitstag 2009", den der Hochschulsport gemeinsam mit dem Bezirksamt Treptow-K?penick durchgeführt hat. Aber den guten Vorsatz vieler Jahre, hier eine richtige Mensa nicht nur für die über 6 000 Studierenden und rund 900 Besch?ftigten meiner Universit?t zu bauen, sollten wir versuchen, baldigst in die Tat umzusetzen - ich bin n?mlich sicher, da? die Physikstudentin der Humboldt-Universit?t, die bei Herrn Kollegen Fornari als studentische Hilfskraft arbeitet und jetzt im IKZ ihre Abschlu?arbeit schreibt, noch fr?hlicher und besser arbeitet, wenn sie nicht nur aufgew?rmtes Essen bekommt. Und das gilt vermutlich genauso für den Doktoranden der Chemie, der im Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie (HZB) Messungen für seine Arbeit durchführt.

Vergangene Woche habe ich mit der Bundesministerin Schavan wissenschaftliche Einrichtungen in Israel und Pal?stina besucht, darunter das Weizmann-Institut in Rehovot und ein Projekt der Hebr?ischen Universit?t für begabte pal?stinensische Schülerinnen, die schon an die universit?ren Naturwissenschaften herangeführt werden. In diesen Gespr?chen hat niemand geklagt, obwohl es viele Gründe g?be, über die politische Lage und die Unterfinanzierung des Wissenschaftssystems in Israel und Pal?stina zu klagen. Im Gegenteil: Wir trafen überall fr?hliche und aktive Menschen, die von einem ungeheueren Aufbruchsgeist beseelt waren. Eine pal?stinensische Schülerin sagte: "Es ist eigentlich nicht vorgesehen, da? arabische Frauen gute Mathematikerinnen werden. Ich war auch ganz schlecht in Mathematik und hatte gar kein Vorbild. Aber dann habe ich mir gesagt, da? ich für ein gutes Physikstudium Mathematik brauche, mich auf den Hosenboden gesetzt und jetzt bin ich die Beste in meiner Klasse." Dieses Engagement brauchen wir: Wenn unser politischer Senat nicht genügend Geld oder Interesse für gute Wissenschaft hat, müssen wir das Geld halt anderswoher besorgen. Wenn durch Narretei und Unverstand die Einsteinstiftung weiter blockiert wird, müssen wir eben helfen, sie flott zu bekommen. Wenn Schulze nicht kooperieren will, fragen wir eben Müller und der bekommt vielleicht auch Schulze herum. Das gro?e Jubil?um - das einhunderteinste von Adlerhof, liebe Adlershoferinnen und Adlershofer, das zweihundertj?hrige der Humboldt-Universit?t und die vielen anderen im Berliner Wissenschaftsjahr bieten reichliche Gelegenheit, Begeisterung zu st?rken und neu aufzubauen. Berlins Wissenschaft, die Wissenschaft in Adlershof verdient Begeisterte, vermag Begeisterung zu wecken. Und Begeisterte springen doppelt weit. Fr?hliche Sprünge hier, im neuen Jahr 2010! Vielen Dank für Ihre Geduld.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t