Gru?wort zur Abschiedsvorlesung von Heinz Schilling
Gru?wort am 14. Juli 2010
Jetzt, lieber Herr Schilling, werden das gleich wieder alle sagen und haben es zum Teil schon gesagt: Gro?es Theater um gro?e Verdienste. Ob das dem reformierten Christenmenschen vom bergisch-m?rkischen Raum wirklich gef?llt? Und ob das Auditorium bei solchen Temperaturen von der mehrfachen Wiederholung wirklich entzückt ist? Bis repetitio non placet, hie? das an der alten Universit?t, mit der Heinz Schilling nicht nur durch seine Forschung verbunden ist. Also, verehrte Damen und Herren: Ich werde nicht mit viel Tremolo in der Stimme den Abschied von Heinz Schilling beklagen, ich werde nicht noch einmal erz?hlen, was diese Universit?t und ihr Institut für Geschichtswissenschaften dem munteren, ironischen, streitbaren und so grundgelehrten Frühneuzeithistoriker verdankt. Ich werde nicht noch einmal erz?hlen, wie schwierig der Anfang war und welcher Augiasstall zum Teil ausger?umt werden mu?te von der Gründergeneration der erneuerten Humboldt-Universit?t. Und ich werde nicht erz?hlen, wie der Dekan Schilling eine philosophische Fakult?t formte, die – ja so mü?te ich dann ja in die Harfe greifen – ihresgleichen suchte. Und erst recht werde ich nicht erz?hlen, welche Widerst?nde zu überwinden waren. Das werden Sie, verehrte Damen und Herren, heute alles nicht von mir h?ren.
Und ich verzichte auch – wer bin ich denn – auf eine Würdigung der Schriften, die Heinz Schilling hier trotz der ungeheueren Mengen an Sitzungen und Verwaltungsarbeit, Berufungskommissionen und Planungsrunden in Berlin zustandegebracht hat, nein, denn das mu? ich nicht erw?hnen, denn es gibt inzwischen ja nicht einmal mehr einen abgelegenen Kirchenhistoriker, der noch nichts von der Konfessionalisierung geh?rt hat und dieses Leitparadigma der Frühneuzeitforschung mit bravem Blick auf einschl?gige Schilling-Opera in seinen Lehrveranstaltungen zugrundelegt, der nicht Schillings vergleichende Studien zu Luther, Loyola und Calvin (um auf den Titel der Antrittsvorlesung anzuspielen) beeindruckt studiert und seine jüngsten Studien zu den Konfessionsauseinandersetzungen dankbar benutzt hat. Nein, so einen Kollegen kann ich mir gar nicht vorstellen, selbst die Althistoriker und sogar die Altkirchenhistoriker nutzen inzwischen Schilling und so mu? ich auch von dieser Dimension seines Oeuvres heute nicht ausführlich reden.
Ich mu? auch gar nicht vom Menschen Heinz Schilling reden, von dieser wunderbaren Mischung aus sachlicher Strenge, gelegentlicher H?rte, wenn es um schlechte Wissenschaft, absurde Thesen und akademisches Mi?management geht, die kombiniert ist mit einer wunderbaren Freundlichkeit und Menschlichkeit, ja W?rme im Umgang – das wissen Sie, verehrte Damen und Herren, alles viel besser als ich von unseren Gespr?chen am Rande, am E?tisch, am Sitzungstisch der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die – wie ich ja schon einmal erz?hlte – in Heinz Schillings Personalakte nur als Problem auftaucht: Wer zahlt, wenn das neugew?hlte Akademiemitglied auf dem Weg vom Prachtboulevard Unter den Linden in die J?gerstra?e am Gendarmenmarkt ?verunfallt“, ist das Dienstzeit oder privates Vergnügen. Der Pr?sident Meyer stoppt den hanebüchenen Verwaltungsschriftwechsel zu dieser Frage und man mu? nachtr?glich froh darüber sein, da? ihn der Betroffene bisher nicht vollumf?nglich zur Kenntnis nehmen mu?te. Ob man da seine zugewandte, menschenfreundliche, warme Seite kennengelernt h?tte, w?re mit Fug und Recht zu bezweifeln und jeder würde es verstehen.
Nun wissen Sie, verehrte Damen und Herren, worüber ich heute nicht sprechen will, weil alle darüber sprechen. Und ahnen, da? mir der rhetorische Mi?griff unterlaufen ist, viel zulange darüber zu reden, worüber ich nicht reden will – oder sollte das gar kein zuf?lliger rhetorischer Mi?griff gewesen sein, der mir da unterlaufen ist? Wie auch immer. Nun wollen wir ungeachtet gro?er Hitze doch vielleicht noch wissen, worüber ich eigentlich reden wollte, wenn wir schon seit l?ngerem wissen, worüber ich nicht reden will. Ich m?chte eigentlich darüber reden, da? wir dankenswerterweise eigentlich gar keinen Abschied feiern. Denn 2017 ist, wenn Sie dem evangelischen Kirchenhistoriker diese Bemerkung gestatten, ein Jubil?um eines akademischen Aktes, der Anheftung von einer ziemlichen Menge an Thesen. Ich habe nie mit Heinz Schilling darüber geredet, wie er über die Versuche eines von uns beiden gesch?tzten Kollegen denkt, dieses Ereignis aus dem Kalender zu streichen und dem armen Melanchthon, der auf seinen Bildern immer schon so akademisch, dürr und vergeistigt aussieht, nun auch noch schlechte Erinnerung des zerstreuten Professors zu unterstellen. Aber wie auch immer: 2017 wird gefeiert. Und sp?testens dann liegt Heinz Schillings Lutherbuch vor. Und weil ich mich bannig – wie man in Norddeutschland sagt – auf dieses Buch freue, finde ich, da? heute eigentlich gar kein Abschied gefeiert werden mü?te. Denn ich freue mich nicht nur auf dieses Buch, das – so hoffe ich doch – wie einstens Heiko Augustinus Obermans ?Mensch zwischen Gott und Teufel“ diverse Fachgebiete durchlüften wird und den Staub der Luther-Orthodoxie vertreiben wird. Um die theologische Kompetenz mu? man sich nicht sorgen, seit die hohe Theologische Fakult?t zu G?ttingen, die für ihre Orthodoxie im ganzen Land bekannt ist, dem Kollegen Schilling theologische Bildung honoris causa best?tigt hat. Also mindestens einen Luther und hoffentlich, lieber Herr Schilling, noch viel mehr. Und bitte von allem Sonderdrucke.
Weil ich mich darauf freue, wünsche ich Ihnen dazu zuallererst die n?tige Gesundheit, den Humor, die Geduld, die geneigte Leserschaft, gelegentlich auch eine Stiftung, die mal eine Hilfskraft zahlt oder gar eine Universit?tsleitung, die auch ihre Emeriti Wert sch?tzt, R?ume und Unterstützung bereith?lt. Ich wünsche, da? Sie heute nur vom Unangenehmen im Amt des Universit?tslehrers und Professors Abschied nehmen müssen, aber bei all’ dem bleiben dürfen, was Spa? und Vergnügen daran macht. Wenn dem so w?re, dann sollten wir nicht traurig zum Abschied blicken, sondern ganz munter und fr?hlich auf das Neue: Sie haben es geschafft, lieber Herr Schilling: Nie mehr langweilige Gremiensitzungen, nie mehr Streit um drei Stunden Hilfskraftmittel. Nein, nur noch nette und kluge Schülerinnen und Schüler, die kluge Dinge schreiben – und Sie selbst, von dem wir noch so viel erwarten. Gottes reichen Segen dafür. Und, nun wiederhole ich mich zum Schlu? doch noch einmal und ganz ohne Scheu: Tausend, tausend Dank für alles aus den letzten Jahren und Jahrzehnten. Sie haben sich um unsere Universit?t verdient gemacht. So schlicht und so doch so viel. Tausend Dank!
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident
der Humboldt-Universit?t