Humboldt-Universit?t zu Berlin

Caroline-von-Humboldt-Preis

Gru?wort vom 13. Oktober 2010

Heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, beginnen wir mal lieber nicht bei Caroline von Humboldt selbst, nach der dieser Preis genannt ist. Denn dann würde viel zu schnell deutlich, da? die Lektüre von Hazel Rosenstrauchs Buch und abschnittweises Studium des beeindruckenden Briefwechsels zwischen Caroline und Wilhelm noch keinen Experten machen, Halbwissen aber ist schrecklich und pr?sidiales Halbwissen mit Amtskette besonders schrecklich. Nein, ich freue mich auf den Festvortrag von Barbara Hahn und werde mich hüten, mit ihr in einen Wettstreit zu treten. Gleiches und vielleicht sogar noch viel mehr gilt dies für unsere Preistr?gerin, denn die namensgebende Caroline ist nun sicher eine Berliner Intellektuelle der von Anne Balloit beforschten Jahre bis 1830.

Ich beginne aber, das liegt in diesen Tagen unserer gro?en Festwoche ja wohl auch nahe, doch bei Humboldt, genauer bei der Konferenz "Humboldt's Modell", die die verehrten Kollegen Henningsen, Schlaeger und Tenorth in der vergangenen Woche mit vielen internationalen Experten drüben im Hauptgeb?ude veranstaltet haben, über die Chancen von Humboldts Universit?tsidee in der Gegenwart. Nicht, da? Sie mich mi?verstehen, ich werde nun auch nicht darüber r?sonieren, welche Bedeutung die stete Aufmunterung durch Caroline für den in K?nigsberg verzweifelnden Sektionschef Wilhelm in den Tagen vor reichlich zweihundert Jahren bedeutete - das ist ja, wie gesagt, Frau Kollegin Hahns Gesch?ft. Nein, ich m?chte Ihnen von einem wunderbaren Studentinnenstreich anl??lich dieser Konferenz berichten, dem einzigen wirklichen Studentenstreich, den es in fünf Jahren meiner zu Ende gehenden Amtszeit gab und - wie Sie gleich merken werden - kein StudentInnenstreich, sondern ein Studentinnenstreich, ganz sicher. Um ihn zu schildern, mu? ich kurz ausholen: Zur Hebung des Ruhmes wie des Raumgefühls hat mein verehrter Vorvorg?nger, ein von Humor nicht gerade übersch?umender herausragender Staats- und Verfassungsrechtler, eine Galerie von neunundzwanzig Herren in Schwarz-Wei? auf grauem Karton im Foyer des Hauptgeb?udes vor dem Akademischen Senatssaal anbringen lassen, übrigens genau an der Stelle, an der zu DDR-Zeiten eine wuchtige Marx-Büste stand, die nun? in den Atombunker der Universit?t gewandert ist (der, das mu? ich unbedingt hinzufügen, damit ich nicht mi?verstanden werde, ohnehin schon als Lager der Kustodie dient). Diese Galerie, die Zeitschrift Oeconomist hat es vor einigen Jahren einmal despektierlich festgestellt, endet allerdings kurz nach 1945 und - das stand glücklicherweise nicht im Oeconomist - mit einer Person, deren politisches Verhalten post 1933 keineswegs einwandfrei war. Die seitherigen Nobelpreistr?ger Berlins kamen entweder wie Ernst Ruska von einer anderen 三亿体育·(中国)官方网站 (in diesem Fall der Technischen Universit?t) oder wie Gerhard Ertl und viele andere von Max-Planck-Instituten. Wie auch immer: Viele M?nner in Schwarz-Wei? haben einen begrenzten Unterhaltungswert, wiewohl sie immer noch charakteristisch für h?herere Positionen an deutschen Universit?ten sind. Dabei h?tte es l?ngst Alternativen für die gute Stube der Universit?t gegeben. Meine Vorvorvorg?ngerin, über deren Ma? an Humor ich nichts zu sagen wei?, hatte schon lange vor der Galerie der neunundzwanzig maskulinen Berühmtheiten eine Galerie von Frauen aufgeh?ngt: sieben Frauen, ebenfalls in schwarz-wei?, freilich nicht im Foyer, sondern nur auf einem Gang, wenn auch dem Gang vor dem Pr?sidentenbüro. Wieder haben es also die Frauen gleichsam nur auf den Gang vor den Zimmern der Macht und in das zweitbeste Zimmer geschafft, eine Ikonographie der Zurücksetzung, über deren Korrektur mein verehrter Nachfolger, der übrigens auch Humor zu haben scheint und wohl auch brauchen wird, vielleicht nachdenken sollte, wenn der Rat gestattet ist. Besonders betrübt macht mich auch immer, da? kein Bild der ersten weiblichen Studentin unter den sieben Portraits hier h?ngt, sondern - wie die kluge Studierendenvertreterin bei der gro?en Jubil?umsfeier feinsinnig bemerkte - nur das elektronische Vorlesungsverzeichnis ihren Vornamen tr?gt: Agnes für Agnes von Zahn-Harnack, sie verdient in vielfacher Hinsicht Ged?chtnis in unserer Universit?t. Und schlie?lich ist Lise Meitner in dieser Galerie so unvorteilhaft aufgenommen, da? man denkt, sie sei eben gerade von Otto Hahn um den Nobelpreis betrogen worden - da war mehr als jenes wei?e Spitzenkr?glein, das als zentraler Ausstellungsgegenstand jüngst in einer Ausstellung im Grimm-Zentrum von ihr portraitiert wurde. Offenbar - und nun komme ich endlich zu dem Punkt, auf den ich hinauswill - hat das auch die Studentinnen gest?rt, von denen ich Ihnen berichten m?chte. Die haben sich n?mlich einfach unter die vor dem Senatssaal Kaffee und Tee trinkenden Tagungsteilnehmer der Konferenz "Humboldts Modell" gemischt und sieben Nobelpreistr?ger abgeh?ngt und durch die sieben Frauenportraits ersetzt. Eine tolle, eine wunderbare, eine gro?artige Idee - schade nur, da? die Aufh?ngungen so unterschiedlich waren, da? zum Schutz der Nobelpreistr?ger diese an ihrem Exilort auf dem Gang nicht lange h?ngen bleiben konnten. Solche intelligenten Streiche h?tte ich w?hrend meiner Pr?sidentschaft liebend gern ?fter gesehen - und es ist vermutlich eine Folge der überaus humorlosen Auseinandersetzungen, die in den Berliner akademischen Gremien aufgrund der hohen Politisierung üblich sind, da? es solche wunderbaren Streiche nur so selten gibt. Denn solche sprechenden Zeichen, die ins Nachdenken führen - wieso h?ngt da Otto Hahn, aber nicht Lise Meitner? - bewirken tausendmal mehr als bemühte Reden zum Thema Gleichstellung, angestrengtes Werben um Aufmerksamkeit für ein Thema, das doch nur Langeweile erzeugt, mi?mutig-muffliges Anz?hlen der Verantwortlichen für die gew?hnlich eher dasastr?se Gleichstellungsbilanz.

Zeichen sind es, die die Schwankenden gewinnen, die die Schlafenden wachrütteln und die Unbelehrbaren ins Nachdenken führen. Allzumal, wenn sie so witzig, so geistreich, so ungeheuer klug daherkommen, wie der Studentinnenstreich, Otto Hahn durch Lise Meitner zu ersetzen. Und nun verstehen Sie wahrscheinlich auch, warum ich diesen langen Anlaufweg der Erz?hlung in meinem Gru?wort genommen habe: Weil ich den Caroline-von-Humboldt-Preis unter diese geistreichen, klugen, wunderbaren Einf?lle zur Verbesserung der Gleichstellung an den Universit?ten z?hle. Kein bescheiden dotierter Preis, der von ernst daherschauenden Personen aus schlechtem Gewissen verliehen wird, sondern ein nobel dotierter Preis, der mit Anne Baillot einer Forscherin verliehen wird, die sich im Zentrum ihrer Wissenschaft mit Bravour bewegt. Ich scheue mich nicht am Ende meines Gru?wortes, die Frau zu rühmen, deren Handschrift dieser Preis gerade in diesen seinen so intelligenten Zügen tr?gt: Unsere Frauenbeauftragte Ursula Furich-Grubert hat die Idee eines solchen Preises in einem unserer ersten Gespr?che ge?u?ert und wir haben es, darf ich sagen, gemeinsam hinbekommen, da? er heute als besondere Zierde unseres zweihundertj?hrigen Jubil?ums verliehen werden kann.

Ich scheide in wenigen Tagen aus dem Amt als Pr?sident und freue mich, da? es - nach gewissem Stillstand in meinen ersten beiden Amtsjahren - einen so erfreulichen Aufschwung mit dem Thema der Gleichstellung genommen hat, so da? die, die den Pr?sidenten der Universit?t für einen humorlosen Reaktion?r auf diesem Gebiet hielten, eines besseren belehrt worden sind. Um es zum Abschlu? noch einmal ganz deutlich zu sagen: Da? unsere Gleichstellungsstandards zur bundesweiten Spitzengruppe geh?ren, wir diesen Preis verleihen und so muntere Studierende haben, die unser marmoriertes Herrenged?chtnis durcheinander werfen, das alles freut mich von Herzen. Und nur schüchtern sage ich: Das kann ja nur der Anfang sein, denn was der Studierendenstreich tempor?r vorweggenommen hat und der scheidende Pr?sident durch die Aufh?ngung der Damen des ProFIL-Programms über den ergrauten Herren schon einmal zeichenhaft markiert hat - ja, das wünschen wir uns doch: Eine bunt gemischte Galerie der zu Ehrenden dieser Universit?t vor dem Senatssaal, bunt gemischt ganz ohne Diversity managment, einfach so, weil Wissenschaft eben bunt ist und die Humboldt-Universit?t zweihundert Jahre nach Gründung sich endlich nicht mehr als deutsch und national und m?nnlich, sondern als international und janz jemischt definiert, also in das Paar Caroline und Wilhelm, um es zum Schlu? ein wenig provokant zu sagen, auch den Alexander mit hineingenommen hat. Dank, Glückwunsch und Anerkennung - und eine sch?ne Feier!