Fünfzigj?hriges Jubil?um der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen
Gru?wort vom 12. Juni 2010
Man reibt sich verwundert die Augen, lieber Landesbischof Fischer, liebe Pr?pstin von Kirchbach, lieber Pr?lat Felmberg, liebe Schwestern und Brüder, meine Damen und Herren - erst fünfzig Jahre soll sie alt sein, die EZW, die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen? Ich frage das nicht als Kirchenhistoriker, um auf diese Weise subtil anzudeuten, da? es einen Vorl?ufer der Zentrale gab, die 1921 gegründete und 1937 gewaltsam geschlossene "Apologetische Zentrale", die ihre Wurzeln in den volksmissionarischen Bewegungen der Diakonie und damit letztlich im Evangelisationsprogramm Wicherns hatte - nein, ich frage nicht, ob die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen wirklich erst fünfzig geworden ist, weil ich Ihnen unter der Maske eines Gru?wortes eine Vorlesung über die Geschichte einer interessanten Berliner Theologischen Institution und ihre ursprüngliche Halbdistanz zur Theologischen Fakult?t der Universit?t halten wollte, die sich erst reduzierte, als der Berliner Privatdozent Walter Künneth 1932 die Leitung der Zentrale übernahm und sie in enger Arbeitsgemeinschaft mit Albertz, Lilje und Niem?ller in den Dienst des Kampfes der Bekennenden Kirche stellte. Nein, für solche kirchengeschichtlichen Exkurse in die kirchliche Zeitgeschichte gibt es berufenere Kollegen als den armen Altkirchler und Patristiker und das ist auch nicht der Grund meiner Verwunderung - verwundert reibe ich mir mindestens die Augen, weil in diesen fünfzig Jahren eine so gro?e Zahl von ungemein hilfreichen, h?chst informativen, gelehrten und zugleich doch zu pr?ziser Urteilbildung anleitenden Publikationen vorgelegt worden ist. ?ber 200 EZW-Texte, viele Hefte des Materialdienstes, aber eben inzwischen auch ein Internet-Lexikon und vieles andere mehr. Und das alles in nur fünfzig Jahren. Dafür kann und mu? man dankbar sein, ich werde gleich noch n?her sagen, warum besonders.
Man reibt sich zugleich aber auch verwundert die Augen, lieber Landesbischof Fischer, liebe Pr?pstin von Kirchbach, lieber Pr?lat Felmberg, liebe Schwestern und Brüder, meine Damen und Herren - weil es schon fünfzig Jahre sind. Denn es wird ja niemand bestreiten, da? in den sechziger Jahren nicht nur das alte Wort "Apologetik" aus dem Namen der Vorg?ngerorganisation keinen guten Klang mehr hatte. In einem instruktiven Artikel hat Horst P?hlmann alle diese Schwierigkeiten beschrieben - und auch der Begriff "Weltanschauung" mutete sp?testens zehn Jahre nach der Etablierung der Zentralstelle seltsam antiquiert an, nicht zuletzt deswegen, weil für nicht wenige an den Universit?ten es auch im Westen und erst recht im Osten nur eine einzige wahre, wissenschaftliche Weltanschauung gab und da meine ich jetzt nicht das Christentum, das Judentum oder welche Religion auch immer. Schon fünfzig Jahre - das meint: Wir schulden denen Dank, die in den gro?en Debatten um die kirchlichen Finanzen und gesamtkirchlichen Akzentsetzungen des bundesdeutschen Protestantismus seit den siebziger Jahren an der Zentralstelle festgehalten haben, nicht nur, aber eben immer auch im Sinne dieser genannten, wunderbaren Arbeitsmaterialien, ich wei?, wovon ich spreche, nicht zuletzt auch deswegen, weil meine Frau seit vielen Jahren als Religionslehrerin arbeitet, inzwischen an einer evangelischen Bildungseinrichtung hier in Berlin, deren Religionsunterricht auch viele Konfessionslose und Muslime besuchen. Sie hatten, um es noch etwas direkter zu sagen, viele einschl?gige wichtige 三亿体育·(中国)官方网站 schon deutlich vor der deutschen Universit?tstheologie im Blick und das ist nun wirklich nicht selbstverst?ndlich.
Ich will das, was ich gerade angedeutet habe, zum Schluss noch ein wenig als Vorsitzender der Theologischen Kammer der EKD ausführen - Sie haben die Freundlichkeit besessen, mich heute um das erste Gru?wort in dieser Funktion nach der Bestallung durch den Rat zu bitten. Uns fehlt, meine Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder, eine elementare, nicht schulgebundene Theologie, eine klare, pr?zise, allgemeinverst?ndliche Theologie zu den gro?en Fragen der Religion in der Gegenwart. Warum musste Jesus sterben? Glauben wir alle an den einen Gott? Und so weiter und so fort. Wir geben an den Universit?ten positionale Antworten, H?rle, Herms, meinetwegen auch Ebeling, Pannenberg und so weiter und so fort (meinen akademischen Lehrer Jüngel nenne ich in diesem Zusammenhang nicht, denn er hat einmal einen Beitrag unter dem Titel "Meine Theologie" mit dem unverge?lichen Satz begonnen: "Meine Theologie - da stock ich schon". Aber das ist doch eher die Ausnahme in unserem, mit Verlaub manchmal recht eitlen 三亿体育·(中国)官方网站). Wir vermitteln dagegen meist unsere (oder eben auch: meine) Antworten den Studierenden. Aber nur wenige Kollegen wissen, da? die zentrale Aufgabe darin besteht, eine aus den biblischen Texten erwachsende und Zeitgenossen direkt ansprechende nichtpositionale, elementare, elementarisierende Theologie zu entwerfen, die zugleich für den Christenmenschen und die Nichtchristen verst?ndlich ist, den Atheisten ernst nimmt und trotzdem die zentrale Weichenstellungen des christlichen Glaubens nicht verschweigt. Elementarisierend - nicht simplifizierend, je nach Anla? auch ohne den schützenden Mantel der traditionellen Begrifflichkeit, den ich als Kirchenhistoriker doch eigentlich so liebe, vor dem Forum nicht nur der Gebildeten unter den Ver?chtern, um einen früheren Friedrichstadt-Pfarrer zu zitieren, elementar, weil - wie es bei Thomas von Aquin hei?t - die Wahrheit einfach ist.
Nun ahnen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, warum ich heute so gern die Einladung angenommen habe, ein Gru?wort zu sprechen: Weil die EZW uns ein Vorbild bei diesem Gesch?ft sein kann, bei diesem Gesch?ft unterstützt, uns zu diesem Gesch?ft herausfordert - in der Kammer, an den Universit?ten, in der Kirche. Und dafür ist Ihnen in der EZW herzlich zu danken und für die kommenden fünfzig Jahre Gottes Segen zu wünschen. Ja, um Geistesgegenwart geht es, lieber Herr Kollege Hempelmann - und wir wissen ja noch, um wes' Geistes Gegenwart es da geht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t