Humboldt-Universit?t zu Berlin

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Friedrich-Wilhelms-Universit?t und Humboldt-Universit?t: Zur Neubenennung der Berliner Universit?t vor 60 Jahren

Grusswort am 9. Februar 2009

Die zweihundertj?hrige Geschichte dieser Universit?t, verehrter, lieber Herr Schütz und verehrte, liebe Studierende der Jahre 1948/1949, verehrte Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, liebe Studierende - die Geschichte dieser Universit?t ist reich an Sch?nem, auf das billigerweise stolz sein kann, aber leider auch reich an Schrecklichem, das einem die Schamr?te ins Gesicht treiben mu?. Ich habe die besondere Ambivalenz der Geschichte dieses Hauses sehr schnell nach meiner Amtsübernahme Anfang Januar 2006 begreifen müssen - am 4. Februar diesen Jahres feierten wir hier im Senatssaal den hundertsten Geburtstag von Dietrich Bonhoeffer. Bonhoeffer studierte aber nicht nur seit 1924 an der Friedrich-Wilhelms-Universit?t, wurde durch ihre gro?en Kirchenhistoriker Adolf von Harnack und Karl Holl gepr?gt, innerhalb kürzester Zeit promoviert und habilitiert, nein, er wurde auch aus der Mitte der Theologischen Fakult?t und damit dieser Universit?t 1936 um seine Privatdozentur gebracht. Einer der Chefarchitekten der nationalsozialistischen Politik gegenüber den Theologischen Fakult?ten, der Kirchenhistoriker Erich Seeberg, war nach allem, was wir wissen, auch der Hauptverantwortliche für die Aberkennung der Privatdozentur Bonhoeffers. An jenem Tage, an dem die Theologische Fakult?t im Februar 2006 gemeinsam mit vielen G?sten aus dem In- und Ausland ihren Absolventen Dietrich Bonhoeffer feierte, war also zugleich der Schande dieser Universit?t zu gedenken - an ihre Verwicklung in zwei deutsche Diktaturen ebenso zu erinnern wie an das Leid, das durch diese Universit?t im zwanzigsten Jahrhundert über Menschen gebracht worden ist. Dabei m?chte ich nicht mi?verstanden werden: Wir wissen alle, da? der Vergleich der beiden politischen Systeme, in deren Kontext diese Universit?t nach 1933 lebte, ein diffiziles Gesch?ft der historischen wie politischen Wissenschaften ist und neben Parallelen auch von Unterschieden zu reden ist; aber heute erinnern wir anl??lich der Vergabe des neuen Namens für diese Universit?t im Februar 1949 auch an die Vertreibung von Studierenden dieser Universit?t, die für die Freiheit des Wortes und demokratische Rechte eintraten und diese Vertreibung der Demokraten geh?rt jedenfalls ungeachtet aller Unterschiede zu den Parallelen der Systeme vor und nach 1945.

Als ich kurz nach meinem Amtsantritt im Februar 2006 so unmittelbar mit der tief ambivalenten Geschichte dieser Universit?t im zwanzigsten Jahrhundert konfrontiert wurde, tiefer, als dies ein Historiker des antiken Christentums gew?hnlich wird, beschlo? ich, bei feierlichen Anl?ssen im Unterschied zu meinen Vorg?ngern die alte Rektoratskette der Friedrich-Wilhelms-Universit?t zu tragen, die ich auch heute trage - 1817 hat sie jener K?nig, der die Universit?t stiftete und dessen Namen sie von 1828 bis 1946 trug, dem Rektor Philipp Konrad Marheineke gestiftet, Friedrich Wilhelm III., der Ehemann der K?nigin Luise und Stifter der preu?ischen Kirchenunion zwischen Lutheranern und Reformierten. Dieser Schritt fand ?ffentliche Aufmerksamkeit, nicht nur deswegen, weil auch an der Dahlemer Nachbaruniversit?t dieses Zeichen akademischer Souver?nit?t (bekanntlich tragen sonst nur Stadtoberh?upter und Akademiepr?sidenten solche Amtsketten) aus dem Archiv geholt worden war, in das es deren Vizepr?sident Uwe Wesel in den Jahren nach 1969 getragen hatte. Nein, in der gelegentlich das Kom?diantische streifenden Berliner Diskussion über die Frage, wer wohl der rechte Traditionsnachfolger der alten Friedrich-Wilhelms-Universit?t sei und beispielsweise deren Nobelpreistr?ger beanspruchen dürfe, schien das Tragen der alten Amtskette der Rektoren dieser Universit?t auch wieder nur einen mehr oder weniger überzeugenden Schachzug im politischen Spiel um unübersehbare Ansprüche auf Kontinuit?t zu markieren.

Inzwischen sind drei Jahren vergangen und es ist hoffentlich deutlich geworden, da? mindestens diese Universit?t nicht einfach nur die hellen Lichtseiten ihrer Geschichte beansprucht, die Fama, die die beiden Brüder Humboldt und ihre jeweils spezifischen Impulse für eine Bildungs- und Universit?tsreform umgibt, die unvergleichlich gro?e Zahl von Nobelpreistr?gern und anderen prominenten Lehrenden wie Studierenden - nein, wer die Kette der alten Friedrich-Wilhelms-Universit?t tr?gt, tr?gt auch mit an der Bürde, an den dunklen Schattenseiten dieser Institution, an der Vertreibung und Ermordung ihrer Dozenten wie Studenten, an der in diesem Haus geplanten und vorbereiteten Bücherverbrennung des Jahres 1933 und an dem, was hier im Rahmen des nationalsozialistischen Terrorstaats geforscht und gelehrt wurde, ich nenne nur den Generalplan Ost.

Nach 1945 hofften viele, es werde nun, nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft, eine neue Epoche des Glanzes der Berliner Universit?t Unter den Linden anbrechen und das kurze Rektorat des P?dagogen Eduard Spranger, der unter den Nationalsozialisten zeitweilig im Gef?ngnis gesessen hatte, schien nach 1945 diese M?glichkeit auch zu bieten. Wir alle und vor allem einige G?ste unter uns wissen, wie schnell diese M?glichkeit wieder zerronnen war und wie schnell diese Universit?t zum blo?en Teil eines Gesamtplans der ?bernahme des Staates und seiner Bildungsinstitutionen wurde, den in Moskau eine Gruppe entworfen hatte und nun unerbittlich umsetzte. Wieder m?chte ich nicht mi?verstanden werden: Die seit Februar 1949 Humboldt-Universit?t genannte Berliner Universit?t war nicht nur die Kaderschmiede der Diktatur einer Partei, sie hatte wie jede Einrichtung in einem undemokratischen System ihre Nischen der Freiheit, ihre Inseln der Renitenz, gelegentlich sogar vor den Türen der Kreisparteileitung, die es in diesem Hause wie in der Akademie der Wissenschaften gab. Aber die hier und heute anwesenden Studierenden des Jahres 1948/1949 k?nnen bezeugen, da? ein freies Studium hier zunehmend unm?glich gemacht wurde und haben daher zu nicht geringem Teil diese Universit?t verlassen; deswegen sind wir tief dankbar dafür, da? sie heute wieder unsere G?ste sind und mit uns gemeinsam an diese Zeit erinnern wollen: Als Erbe der alten Friedrich-Wilhelms-Universit?t darf sich nur stilisieren, wer auch die schrecklichen Züge ihrer Geschichte zu übernehmen bereit ist und sich dieser geschichtlichen Verantwortung stellt.

In meinem Besitz befindet sich das signierte Exemplar Nummer 250 der Gründungsfeier der Freien Universit?t Berlin vom 4. Dezember 1948. Wenn ausweislich dieser Dokumentation der, wie es im Text hei?t, "erw?hlte Oberbürgermeister von Berlin", Ernst Reuter erkl?rt, er wolle gemeinsam mit dem Rektor Friedrich Meinecke und Senat wie Kuratorium der neuen Universit?t "alles tun, um diese neue Alma mater zu dem zu machen, was uns vorschwebt, zu einer wirklichen Universitas, zu einer wirklichen St?tte der Wissenschaft, der Lehre und der Ausbildung junger Menschen" (S. 11), dann sind solche Formulierungen natürlich von der Sorge getragen, da? all' dies an der Universit?t Unter den Linden nun bald nicht mehr m?glich sein wird. Aber Reuters und übrigens auch Friedrich Meineckes w?hrend der Feier aufgrund seines Gesundheitszustandes nur verlesene Worte sind von aller Rhetorik des Kalten Krieges frei - eine Festschrift zum Jubil?um der Friedrich-Wilhelms-Universit?t gibt die Freie Universit?t auf Bitten der Westdeutschen Rektorenkonferenz erst viele Jahre sp?ter heraus. 1948 bezeichnet sie sich noch sehr bescheiden als Neugründung und Reuter dankt den Studenten, die "diese Universit?t eigentlich geschaffen" haben (S. 12).? Er mahnt sie allerdings auch, nicht den Weg zu gehen, "den so viele unserer führenden M?nner der Wissenschaft in den vergangenen Jahren gegangen sind" (S. 17) - wer in Ankara im Exil lebte, wu?te nur zu gut von der Verstrickung der deutschen Universit?t in den nationalsozialistischen Unrechtsstaat; wenn er davon sprach, da? die V?lker der Welt sich erhoben h?tten, "um die Freiheit der Welt zu sichern" (S. 15), war das kein hohles Pathos mit durchsichtiger politischer Abzweckung. Ernst Reuter bekannte sich zu den ?berzeugungen, "die wir übernommen haben aus dem Erbe der christlichen Ideen, und die in dem einen Wort ?echte und wirklich Humanitas' sich zusammenfassen lassen" (S. 17), ebenso übrigens Edwin Redslob, der als gesch?ftsführender Rektor nach Meinecke das Wort ergriff (S. 23). Der aus Baden stammende Kommunist Paul Wandel, damals Pr?sident des deutschen Zentralverbandes für Volksbildung, und ab 1949 für etwa ein Jahr erster Minister für Volksbildung und Jugend der DDR verlieh kurz nach der feierlichen Er?ffnung der Freien Universit?t der Universit?t Unter den Linden "entsprechend dem Antrage des Rektors und des Senats … den Namen Humboldt-Universit?t" und sah in diesen Namen auch ein Bekenntnis zur "gemeinsamen Gesinnung der Humanit?t und der V?lkervereinigung".

Wenn man auf die Geschichte der beiden Berliner Universit?ten, der Freien und der Humboldt-Universit?t blickt, dann wird deutlich: Freiheit l??t sich schnell proklamieren und ist ein schnell gesagtes Wort. Die Geschichte der deutschen Universit?t im zwanzigsten Jahrhundert, im Osten wie im Westen, macht deutlich, da? schon allein die so basale Freiheit des Wortes sehr schnell verloren gehen kann und verloren gegangen ist, in Dahlem wie in Berlin-Mitte. Friedrich Meinecke hat, w?hrend der Er?ffnung der Freien Universit?t durch den RIAS zugeschaltet, vom Krankenlager aus darauf hingewiesen, da? Freiheit zur Selbstbeschr?nkung, zur Selbstzucht, "nicht etwa zur Selbstsucht" führe - übrigens ganz ?hnlich wie Dietrich Bonhoeffer, der einstige Privatdozent dieser Universit?t, in seinem Gef?ngnisgedicht "Stationen auf dem Weg zur Freiheit" diese Stationen mit der "Zucht" beginnt. Es w?re wunderbar, wenn der Wettstreit zwischen, wie Meinecke sagt, der "alten und der neuen Universit?t in Berlin" die Kom?dien-Bühne eines Streites um die Nobelpreistr?ger und der Debatten über das Alter von Einrichtungen verl??t, eine Debatte, in der alle Beteiligten auch immer nur wie Kom?dianten agieren k?nnen, freiwillig oder unfreiwillig, und sich statt dessen lieber dem gemeinsamen Gedenken an eine Geschichte widmet, die Aufbrüche zu neuer Freiheit ebenso kennt wie Abstürze in den puren Totalitarismus, hüben wie drüben.

Eine der Studentinnen, die 1948 unehrenhaft aus dieser Universit?t entlassen wurde, die frühere Berliner Bürgermeisterin Hanna-Renate Laurien, w?re gern unter uns gewesen, mu? aber selbst eine Gedenkrede in Dresden halten. Zum Abschlu? meiner einleitenden Bemerkungen m?chte ich verlesen, was Sie mir in einem Brief geschrieben hat - eine wunderbare Geschichte, die deutlich macht, wie die 1948 im Berliner Südwesten und 1949 in Berlin-Mitte so gern bemühten Formeln von der Humanitas und der Freiheit ganz konkret interpretiert werden k?nnen und, meine Damen und Herren, wir sind uns ja vermutlich einig, da? nur eine solche konkrete Interpretation der hehren Formeln sicherstellt, da? in allen Universit?ten der Humboldtschen Tradition und so auch in der originalen Humboldtschen Universit?t, der einstigen Friedrich-Wilhelms-Universit?t und heutigen Humboldt-Universit?t, diese Ideale bewahrt bleiben. Nun also Hanna-Renate Laurien: "Also aus der Humboldt-Universit?t war ich ?in Unehren' entlassen worden, da ich an einer Demo pro FU teilgenommen hatte. Nun kam 1948 die Gründung der FU zustande, und der Bundespr?sident Heu? kam zur ersten Immatrikulationsfeier, bei der er 12 Studenten und Studentinnen (ich war eine davon) die Hand geben wollte. Ich besa? nur klumpige RAD-Schuhe, pumpte mir ein Paar elegante Schuhe, stapfte auf den Pr?sidenten zu, knickte mit dem Fu? um und lag vor ihm auf dem Boden. Oh, dieser Schreck. Doch er beugte sich über mich und sagte l?chelnd: ?Mein Fr?ulein, so viel Ehrfurcht ist nicht n?tig'. … Das ist der Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur. In der Diktatur wird solche Unterwürfigkeit gefordert, in der Demokratie gilt das Pr?sidentenwort: so viel Ehrfurcht ist nicht n?tig, da ist der Staatsbürger mit aufrechtem Gang gefragt". Soweit Hanna-Renate Laurien. Sie schlie?t ihren Brief mit den Worten: "So grü?e ich Sie dankbar", ja, ich grü?e sie alle dankbar, die Studierenden von 1948/1949, die uns heute die Ehre geben, die, die den heutigen Abend geplant haben und mit ihren Beitr?gen zieren, vor allem aber unseren Referenten, Herrn Kollegen Hansen, und natürlich Sie, verehrter Klaus Schütz. Seien sie uns alle sehr, sehr herzlich willkommen.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t