Humboldt-Universit?t zu Berlin

Er?ffnung des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums

Gru?wort vom 19. November 2009

Wenn soll ich begrü?en heute morgen? Vielleicht doch zu allererst die über zweieinhalb Millionen Bücher, die da unter uns und hinter uns gesammelt sind in diesem herrlichen Bau, den Max Dudler uns entworfen hat. Warum, meine Damen und Herren, sollte man Bücher grü?en und nicht zuallererst die Menschen, die sie lesen oder die erm?glicht haben, da? sie gelesen werden? Nun, schlicht und einfach deswegen, weil Reverenz gegenüber dem gedruckten Buch ja l?ngst nicht mehr selbstverst?ndlich ist - man liest eben heutigentags lieber die oft ziemlich grauenhaften Eintr?ge des Internetlexikons Wikipedia, als zu einem der vierundsechzig B?nde des Universal-Lexicons von Johann Heinrich Zedler zu greifen, das in kürzester Frist 1731 bis 1754 publiziert wurde und nicht nur einen prominenten Platz in unserem Forschungslesesaal oben im vierten Stock einnimmt, sondern seit fast zehn Jahren digitalisiert im Internet zur Verfügung steht.

Ja, heute geh?ren zu allererst einmal die Bücher gegrü?t, beispielsweise die anderthalb Millionen, die hier frei zug?nglich in den diversen Etagen des Baus in den edlen dunklen Regalen aufgestellt sind, die uns das Land Berlin finanziert hat, an dessen Spitze der Herr Regierende Bürgermeister, Klaus Wowereit, steht. Die Bücher geh?ren zuerst gegrü?t, damit sich hierzulande nicht der melancholische Eindruck festsetzt, dieser Bau sei der letzte gro?e Bibliotheksbau eben dieses Landes gewesen, ein Anachronismus für überholte Medien, den sich eine ins sch?ne Bauen verliebte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geleistet hat, unsere Baudienststelle, an deren Spitze die Senatsbaudirektor Regula Lüscher steht, in der Schweiz geboren wie der Architekt Max Dudler, und ihre Mitarbeiter Martens, Gierth, Ostendorf, Ossowski, Sch?pke und Windolph, die den Ar-chitektenwettbewerb organisiert, als prüfende Dienststelle fungiert und in vielen, vielen anderen T?tigkeiten jederzeit dem Bau und dieser Universit?t hilfreich zur Seite standen.

Und besonders gegrü?t geh?ren natürlich die etwas über tausend B?nde, die aus der privaten Bibliothek der Brüder Grimm erhalten geblieben sind und in einem gut klimatisierten Depot neben dem Forschungslesesaal stehen, viel klassische Philologie und germanische Altertumskunde, natürlich, aber auch manches andere, sorgf?ltig bewahrt von Milan Bulaty, dem Direktor des Hauses und seinen vielen Mitarbeitern, in ein so kostbares Geschmeide gefa?t dank der Hilfe unseres Abgeordnetenhauses und seiner Mitglieder, aber auch der Wissenschaftsverwaltung, von Herrn Mahnke und Frau Riedel.

Wer schon einmal durch diesen unendlich sch?nen Bau, dessen Terrassen und G?nge zum flanieren einladen, spaziert ist, wei?, da? aus den verschiedenen Teilbibliotheken und Depots kostbarste Buchbest?nde wieder aufgetaucht sind, die schlie?lich auch noch einen besonderen Gru? verdienen - ich denke beispielsweise an die wunderbaren wissenschaftsgeschichtlichen Best?nde, die sich oben der Nordostecke des dritten Stockwerks finden und die ich zuletzt besonders grü?e. Wenn wir solche und andere Zimelien heute ganz selbstverst?ndlich nutzen k?nnen, dann dank der Hilfe der Carl Friedrich von Siemens Stiftung und ihres Gesch?ftsführers Heinrich Meier, aber auch dank der Hilfe der Berliner Volksbank, von Holger Hatje und Stefan Gerdsmeier, samt der Warburg-Melchior-Olearius-Stiftung, von Christian Olearius und Daniel Bresser: Sie füllen dieses Haus mit Büchern, versorgen in einem Kinderraum die jüngsten Leser und erm?glichen Erholung vom Lesen auf einer spektakul?ren Dachterrasse.

Erholung vom Lesen? Man sollte angesichts von Max Dudlers Bau, den man gar nicht genug rühmen kann, vielleicht besser von Erholung durch Lesen sprechen und insofern sollte ich nach den Büchern endlich auch die Leser begrü?en, pr?ziser: die Leserinnen und Leser, die ich noch nicht indirekt genannt und damit begrü?t habe. Die Studierenden zuallererst: Sie protestieren mit Recht gegenw?rtig im ganzen Land für bessere Studienbedingungen und gegen eine an allerlei Stellen gepatzerte Bologna-Reform: Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, heute inaugurieren wir eine nachhaltige Verbesserung ihrer Studienbedingungen, das erste eigene Geb?ude unserer Universit?tsbibliothek seit dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, als letzte ostdeutsche Universit?t, es wurde Zeit. Dann grü?e ich aber auch die übrigen Angeh?rigen dieser Universit?t und die Leserinnen und Leser der ganzen Stadt, die unser sch?nes neues Schatzhaus mit seinen gro?zügigen ?ffnungszeiten zahlreich frequentieren, aber glücklicherweise nicht so zahlreich, da? es unter dem Ansturm seiner Besucher schon zusammengebrochen ist: Den Büchern und denen, die sie lesen, gilt mein Gru? - und damit habe ich nun hoffentlich jeden und jede von denen, die hier sitzen, gegrü?t, niemanden vergessen und auch die getr?stet, die mangels Platz in dieser Eingangshalle stehen müssen oder so ungünstig sitzen, da? sie nur meine Worte h?ren konnten, aber den Sprecher nicht sahen, was, so scheint mir, verschmerzbar ist.

Nun ist es mir eine Freude, unseren Regierenden Bürgermeister um sein Gru?wort zu bitten, einen Politiker, dem man - wenn ich das so scherzhaft im Blick auf die Zentral- und Landesbibliothek sagen darf, mit der wir gemeinsam im Humboldt-Forum vereint sein werden - dem man mangelndes Engagement für Bibliotheken nun wirklich nicht nachsagen kann.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t