10-j?hriges Jubil?um des Walter Hallstein Instituts
Gru?wort am 25. Oktober 2007
Verehrte Herren Staatssekret?re, verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, liebe Studierende,
über die Gelegenheit, dem Walter-Hallstein-Institut heute zu gratulieren, freue ich mich ganz besonders – macht doch das Jubil?um dieses Instituts deutlich, da? die Humboldt-Universit?t seit den Entscheidungen der vergangenen Woche nicht in Depressionen versunken ist. Wir sind, wie uns in den vergangenen Tagen Wissenschaftsrat und Deutsche Forschungsgemeinschaft nochmals best?tigt haben, eine herausragende Universit?t; man hat uns mehr Cluster und Graduiertenschulen zugesprochen als beispielsweise der Ludwig-Maximilians-Universit?t in München und unser Zukunftskonzept nicht gef?rdert, weil wir nach der Ablehnung des Vorantrages im Januar 2006 im Unterschied zu anderen Universit?ten nur ein einziges Jahr Zeit hatten, unser neues Zukunftskonzept ?Humboldt ins einundzwanzigste Jahrhundert übersetzen“ aufzustellen und ich seinerzeit nach ?bernahme des Amtes vollkommen neu ansetzen mu?te. Die Gutachter wie die Verantwortlichen haben das Konzept sehr gelobt und uns empfohlen, es weiter auszuarbeiten – und genau das werden wir tun.
Was hat das alles mit dem Walter-Hallstein-Institut zu tun? Sehr viel, lieber Herr Pernice, meine Damen und Herren. Im Zukunftskonzept der Humboldt-Universit?t sind erstmals sechs Profilfelder unserer 三亿体育·(中国)官方网站 definiert; im Unterschied zu manchen süddeutschen Einrichtungen fehlte eine solche Profilierung zuvor, obwohl sich die Tendenz zu Setzung von Schwerpunkten in den n?chsten Jahren eher noch verst?rken wird. Wir haben in den letzten Monaten sehr viel über den Profilbereich der integrativen Lebenswissenschaften geredet, in dem wir unter Leitung von Karl Einh?upl ein Institut für Integrative Lebenswissenschaften einrichten werden. Nun müssen und werden wir – so empfehlen es uns auch die Gutachter im Exzellenzwettbewerb – verst?rkt auch über die anderen Profilfelder reden. Viele unter uns wissen, da? die Europawissenschaften ein zentrales der sechs Profilfelder dieser Universit?t sind – und nun wird deutlich, warum ich zum Jubil?um des Walter-Hallstein-Institutes über unser Zukunftskonzept ?Humboldt ins einundzwanzigste Jahrhundert übersetzen“ rede. Europawissenschaften werden an vielen Orten betrieben und wenn die Humboldt-Universit?t in den n?chsten Jahren diesen Profilbereich ausbauen, st?rken und international noch sichtbarer machen will, dann mu? sie zun?chst einmal kl?ren, welche Schwerpunkte sie auf einem riesigen Forschungsfeld setzen will. Ein Schwerpunkt unserer Europa-Studien ist, wie man so sch?n sagt, bereits gesetzt: das europ?ische Verfassungsrecht in exakt der Zuspitzung, in der das Walter-Hallstein-Institut darüber forscht, also mit einem nachhaltigen Interesse an der Vermittlung einschl?giger Fragestellungen in die ?ffentlichkeit, aber auch durch den Aufbau einschl?giger wissenschaftlicher Netzwerke, durch Nachwuchsausbildung, durch eine Fülle einschl?giger Publikationen, durchaus auch mit politikberatender Abzweckung.
Durchaus mit politikberatender Abzweckung, meine Damen und Herren? Ich befürchte, da? die deutschen Wissenschaftseinrichtungen und die Universit?ten insbesondere allzu oft nur wünschen, da? sie Politik beraten k?nnten, es aber in Wahrheit nicht tun. Es werden für gew?hnlich dickleibige Publikationen erstellt – wogegen natürlich an und für sich gar nichts zu sagen ist, ich schreibe auch gern fünfhundertseitige Monographien und auf einer Pressekonferenz vorgestellt, zu der kein einziger Politiker kommt. Ministerien haben ihre eigenen wissenschaftlichen St?be, Bundestagsabgeordnete ihre Referenten – und für gründliche wissenschaftliche Expertise bleibt oft keine Zeit. Mir scheint das am Walter-Hallstein-Institut grundlegend anders zu sein: Wie es dem Gründungsauftrag der Humboldt-Universit?t entspricht, liefern Sie, lieber Herr Pernice, mit Lehre wie Forschung Beitr?ge zur Berufsbildung in dem Sinne, da? Sie künftigen und aktiven Verantwortlichen für die Europapolitik bessere Qualifikationen für ihr Tun vermitteln, aber auch Artikel in jenen allgemein verbreiteten Kommentaren zum nationalen wie europ?ischen Verfassungsrecht schreiben, die auf dem Schreibtisch aller einschl?gigen Verantwortlichen stehen. Nun hoffen wir, wenn ich das so ehrlich sagen darf, da? das Hallstein-Institut auch einen gewichtigen Beitrag zur Formierung und Institutionalisierung des Profilbereichs Europawissenschaften an der Humboldt-Universit?t leistet – eine entsprechende Initiative sollten wir gerade nach den Entscheidungen der letzten Woche nicht l?nger aufschieben.
Der Pr?sident der Humboldt-Universit?t nimmt das
Walter-Hallstein-Institut natürlich vor allem deswegen wahr, weil es
ihm in regelm??igen Abst?nden illustre G?ste beschert,
Staatspr?sidenten beispielsweise, mit denen er in seinem Büro parlieren
darf, mit deren Leben und Wirken er sich besch?ftigt, um dann ein
Gru?wort zu formulieren und um dann vor allem eine kluge Europa-Rede im
gr??ten H?rsaal des Hauses zu h?ren. Wenn man das Vorwort des Bandes
?Europa-Visionen“ liest, in dem einige dieser Reden gesammelt sind,
dann wird deutlich, da? sich das Walter-Hallstein-Institut einer Vision
verpflichtet fühlt – der Vision, da? das Stocken und Scheitern des
europ?ischen Verfassungsprozesses nur ein Zwischenschritt auf einem
l?ngeren Wege darstellt, der zum Erfolg führen mu?, führen wird. Eine
Reihe prominenter deutscher Politiker, darunter Helmut Schmidt, dessen
Rede den Reigen des Buches er?ffnet, mi?trauen Visionen; man kann das
bei der Lektüre seines Beitrages auch überdeutlich spüren: ?Manchmal
steckt Idealismus hinter solchen Ideen, manchmal auch Gr??enwahn“. Sie
ahnen, lieber Herr Pernice, verehrte Herren Staatssekret?re, meine
Damen und Herren, da? ich diese Texte in den vergangenen Tagen gern
gelesen habe: Auch die Humboldt-Universit?t ist bei einer wichtigen
Initiative zun?chst nicht erfolgreich gewesen, mu? nun Depression
ebenso vermeiden wie den Gr??enwahn eines unreflektierten ?Weiter so!“.
Man kann am Fortschritt des europ?ischen Reformprozesses nach den
Referenden in Frankreich und den Niederlanden lernen, wie man mit
derartigen Rückschl?gen umgehen und sie produktiv nutzen kann – indem
man mit aller Leidenschaft am Ziel festh?lt, zugleich aber nüchtern die
Lage analysiert und seine Konsequenzen zieht. Diesen Geist nüchternen
Realismus, engagierter Arbeit, aber zugleich auch unentt?uschter
Hoffnung auf Fortschritte beim europ?ischen Einigungsproze? verbreitet
die Arbeit des Walter-Hallstein-Institutes. Dafür, lieber Herr Pernice,
gebührt Ihnen und Ihrem Team der herzliche Dank der ganzen
Universit?t.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t