Feierliche Immatrikulation
Gru?wort am 12. Oktober 2009
Sie haben, liebe neue Studierende unserer Universit?t, das gro?e Glück, in eine fünfzehn Monate feiernde Universit?t aufgenommen zu werden, heute beginnen die in der Tat fünfzehn Monate dauernden Feierlichkeiten unseres Universit?tsjubil?ums zum zweihundertsten Jahrestag unserer Gründung. Nun müssen sie nicht befürchten - und dürfen natürlich auch umgekehrt nicht hoffen -, da? hier fünfzehn Monate lang Party gefeiert wird. Wir werden vielmehr in sehr vielen Formaten, ernst und heiter, spannend und amüsant über die Ideen einer Humboltschen Universit?t nachdenken. Sie müssen also nicht befürchten, da? hier und in den kommenden Monaten die etwas verstaubten Monstranzen der Humboldtschen Universit?t aus den Schr?nken geholt werden und vor dem staunenden akademischen Nachwuchs mit Get?se durch den Saal getragen werden - es sind leider oft nur Wortmonstranzen, gro?e, heere Formeln, an der deutschen Universit?t seit fast hundert Jahren wohl vertraut, mindestens bei solchen feierlichen Anl?ssen. Vermutlich, liebe Studierende, kennen Sie einen guten Teil dieser Wortmonstranzen und heeren alten Formeln, auch wenn Sie heute gerade einmal einen halben Tag an der alma mater Berolinensis studieren. "Einheit von Lehre und Forschung" ist einer dieser Formeln, vermutlich die beliebteste. Und genauso h?ufig, wie diese Formel feierlich beschworen und wie eine Monstranz von den Verantwortlichen durch den ?ffentlichen Raum getragen wird, beklagt dann auch irgendwer mit Grabesstimme den Tod der Humboldtschen Universit?t oder wenigstens ihren unmittelbar bevorstehenden Untergang - die Einheit von Lehre und Forschung sei zerbrochen, so h?rt man dann, sei in Zeiten knapper Kassen, in Zeiten überfüllter H?rs?le, in Zeiten eines klar strukturierten Bologna-Studiums l?ngst untergegangen. Wer den Weltuntergang heraufbeschw?rt, findet immer Publikum - glauben Sie das einem Kirchenhistoriker, er redet über sein eigenes Forschungsfeld.
Damit Sie aber, liebe Studierende, den Untergangspropheten und ihren verbreiteten Unheilsprophetien nicht glauben, denen, die die Humboldtsche Universit?t l?ngst versunken glauben, verwende ich heute einmal nicht die heeren Formeln, sondern beginne in der Praxis, um Ihnen zu zeigen, da? die Humboldtsche Universit?t lebt, jener enge 三亿体育·(中国)官方网站 zwischen Lehrenden und Lernenden, jene Bemühung um das Ganze der Wissenschaft jenseits der pernizi?sen Spezialisierung. Ich beginne bei den vielen Exkursionen und Praktika, bei denen eine enge, nicht auf anderthalb Stunden Seminar oder Vorlesung begrenzte Gemeinschaft von Lehrenden und Studierenden gepflegt wird, bei der Lehre und Forschung ganz eng miteinander verbunden sind. Ich selbst veranstalte beispielsweise auch als Universit?tspr?sident jedes Jahr eine gro?e Exkursion, bei der es mit den Studierenden ins Ausland geht und dazu immer wieder auch kleinere Exkursionen, in die Museen der Stadt, in die n?here Umgebung. Ich habe jetzt ein Beispiel aus meiner eigenen Lehrt?tigkeit, ein Beispiel aus den Geisteswissenschaften verwendet - natürlich gibt es analoge 三亿体育·(中国)官方网站 auch in den Naturwissenschaften, in den Sozialwissenschaften, eigentlich in jedem Fach dieser Universit?t. Und solche 三亿体育·(中国)官方网站 zeigen, da? es neben der überfüllten Vorlesung, in der man nur schwer einen Platz bekommt, neben dem nicht restlos zu Ende gedachten Stundenplan eines Institutes und all' den anderen Schwierigkeiten auch Orte unmittelbarer Lebendigkeit der Humboldtschen Universit?t in der Humboldt-Universit?t zu Berlin gibt - Orte, an denen Sie exzellente Forscher und herausragende Forschung nicht nur von ferne beschnuppern k?nnen, sondern daran ganz unmittelbar beteiligt werden; Orte, in denen der viel beschworene garstige Graben zwischen Geistes- und Naturwissenschaften überbrückt werden kann, Orte, an denen der gro?e hierarchische Abstand zwischen Professor und Studierenden ganz klein wird.
Suchen Sie, liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, solche 三亿体育·(中国)官方网站. Suchen Sie 三亿体育·(中国)官方网站, an denen die gro?e zweihundertj?hrige Reformuniversit?t Unter den Linden so lebendig ist, wie sie es zu Zeiten ihrer Gründung auch schon war, suchen Sie Orte der lebendigen Humboldtschen Universit?t in der Humboldt-Universit?t. Und lassen Sie sich nicht anstecken von der typischen Berliner Muffligkeit, die über alles und jedes meckert, die immer alles für kurz vor oder gerade nach dem Untergang diagnostiziert - Angebote intensivster Lehre finden Sie in jedem Institut, in jeder Fakult?t, in Mitte, auf dem Campus Nord und in Adlershof. Studieren macht Spa?, über den Zaun des eigenen Fachgebietes schauen, bringt Gewinn, mal bis in die Nacht über ein Feld stolpern und gemeinsam mit anderen nach Steinen, Blumen, Tieren suchen, ist ein grundlegendes Erlebnis im wissenschaftlichen Bildungsgang. Leidenschaft kennt keinen Stundenplan, Leidenschaft übersieht geflissentlich ein paar Probleme. Zum Studium geh?rt Leidenschaft. Studium ohne Leidenschaft geht zur Not auch, ist aber wie Musik ohne Musikalit?t, Liebe ohne Sehnsucht, wie Essen ohne Genu?, kurz: schrecklich. Studieren Sie also mit Leidenschaft, liebe Studierende.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t