Gru?wort anl?sslich der Verleihung der Ehrensenatorenwürde der Humboldt-Universit?t an Klaus-Dieter Lehmann
5. Juli 2010
Was soll man, verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte G?ste und vor allem: hoch verehrter, lieber Klaus-Dieter Lehmann – was soll man als Pr?sident sagen, wenn im Raum so viele sitzen, die l?ngst nahezu alles über den zu Ehrenden wissen, in jedem Falle mehr als man selbst? Was soll man sagen, wenn aus kundigem Munde eine gewi? wohlinformierte Laudatio des zu Lobenden folgen wird? Was kann noch überboten werden, wenn unter uns der Meister des laudatorischen Alphabetes sitzt, der schon mehrfach zu vergleichbaren Anl?ssen gesprochen hat – und wie er gesprochen hat! Bis repetitio non placet, die mehrfache Wiederholung mag für die Universit?t im allgemeinen typisch sein, für ihre Gremiensitzungen, für langweilige Kongresse, aber doch hoffentlich nicht für unsere Universit?t und sterbenslangweilig ist sie obendrein.
Nun stellt sich meine einleitende Frage im Kern ja bei jedem vergleichbaren Anla? – mindestens einer wei? immer besser über sich Bescheid: der zu Lobende selbst, und seine Ehefrau wei? meist noch einen kleinen Grad besser über den Ehemann Bescheid als dieser selbst und so schrecklich ist die repetitio, die Wiederholung, auch nicht immer: In einer Gesellschaft, die wenig Dankbarkeit kennt (und die Universit?t ist oft noch einmal undankbarer als die sie umgebende Gesellschaft), kann das Lob für gute Taten ruhig mehrfach gesagt werden. Das Gefühl non placet, es gef?llt nicht, im Blick auf die Wiederholung von Lob ist n?mlich oft genug gar nicht ein Ausflu? ungebremsten Unterhaltungswillens, dem die Sucht nach Neuen (lateinisch: curiositas) eigen ist, sondern ein Zeichen wenig verhüllten Neides. Und der geh?rt bekanntlich als invidia in jeden mittelalterlichen Katalog der Todsünden; solche zu begehen sollten wir heute Abend tunlichst vermeiden und also fr?hlich repetieren, was anderswo m?glicherweise schon gesagt wurde und vielleicht heute auch noch gesagt wird.
Wir sind zusammengekommen, um Klaus-Dieter Lehmann die Würde eines Senators ehrenhalber zu verleihen. Jedem beliebigen Lateinlexikon kann man entnehmen, da? mindestens etymologisch das Wort Senator irgendwie mit Senex zusammenh?ngt, mithin das Erreichen des sechzigsten Lebensjahres und eine gewisse Reife Voraussetzung für die n?mliche Würde ist, wenn man nicht dem gro?en Cicero folgen m?chte, der schon ?unser Alter“ (und das meint: den Zeitraum ab dem vierzigsten Lebensjahr) für einen genügenden Ausweis einer Senioratswürde h?lt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt? Ich stelle fest, da? Klaus-Dieter Lehmann nach 27 Jahren im Amte der Leitung verschiedener Bibliotheken, acht Jahren Pr?sidentschaft der Stiftung Preu?ischer Kulturbesitz, mehreren Jahren der Pr?sidentschaft des Goethe-Institutes und diversen Dekaden (rechnet man oberschl?gig zusammen) an Mitgliedschaft im Kuratorium der Bertelsmann-Stiftung, im Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, im Verwaltungsrat des Germanischen Nationalmuseums und nicht zuletzt als Honorarprofessor der Humboldt-Universit?t und w?hrend zweier Amtsperioden im Kuratorium dieser alma mater vierzig Berufsjahre kumulativ ganz gewi? und auch sechzig mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfüllt hat. Es kann auch gar kein Zweifel daran sein, da? er sich in diversen schwierigen Kürzungs- und Zusammenlegungsprozessen, die wir ja alle nur zu gut kennen und nicht nochmals mit all ihren Schwierigkeiten entfalten müssen, Reife und Gelassenheit erworben hat (wenn er sie nicht l?ngst besa?), mithin alle Kriterien eines Senators erfüllt.
Prüfen wir mit einem kurzen Blick auf das antike Beispiel, was wir tun, wenn wir Klaus-Dieter Lehmann die Würde eines Senators ehrenhalber verleihen: Der r?mische Senat wurde ursprünglich aus Patriziern frei vom K?nig gew?hlt – wir halten das hier an der Humboldt-Universit?t in gewisser Weise analog: Der Pr?sident w?hlt frei jene gereiften, erprobten Patrizier, von denen er sich guten Rat erwartet (und das ist eigentlich auch das Einzige, was sein mit wenig Macht ausgestattetes Amt mit dem eines K?nigs verbindet). Aber natürlich überwiegen die Differenzen zwischen dem alten Rom und dem neuen Berlin nach der Wiedervereinigung; wir haben nicht 300, 900 und schlie?lich 600 Senatoren, wie in der r?mischen Republik und unter Caesar oder Augustus, sondern etwa 25 Berufssenatorinnen und –senatoren im Akademischen Senat dieser Universit?t, gerade frisch gew?hlt und lediglich zwei Ehrensenatoren, Reimar Lüst und nun eben Klaus-Dieter Lehmann und diese Zahl soll klein bleiben, damit die Ehre eine Ehre bleibt und nicht zum Automatismus verkommt. R?mische Senatoren hatten reservierte Pl?tze; auch das k?nnen wir an der Humboldt-Universit?t garantieren, lieber Herr Lehmann, wenn Sie uns die Ehre des Besuchs erweisen, seit den Renovierungen unserer beiden gro?en S?le im Hauptgeb?ude und in diesem sch?nen Haus sogar auf einem Niveau, das Patrizier nicht beleidigt – denn eine patrizische Noblesse haben Sie ohne Zweifel, lieber Herr Lehmann und zu den Notablen des Landes geh?ren Sie auch. In der Festschrift zu Ihrem fünfundsechzigsten Geburtstag findet sich sogar – horrible dictu – ein Artikel unter dem Titel: ?Der patriarchalische Klaus-Dieter Lehmann“, aber bl?ttert man ihn auf, entpuppt er sich als bezaubernde Zeichnung, die den Pr?sidenten der Stiftung mit sechs berühmten Architekten im Arm recht lebensnah portraitiert. Doch weiter im Geschichtsbuch: R?mische Senatoren trugen einen Purpurstreifen; das ist inzwischen abg?ngig und nur noch im Süden der Republik üblich, wenn die ehrwürdige bayerische Akademie der Wissenschaften Jahr um Jahr in den Herkules-Saal einzieht. R?mische Senatoren haben aber vor allem Einflu? auf die Au?enpolitik genommen, bestellten Gesandte, empfingen wohl auch solche – und dies ist nun ganz gewi? gleich geblieben, damals wie heute: Die sch?ne Festschrift des Goethe-Institutes zu Ihrem Geburtstag macht deutlich, wie sehr jenes Goethe-Institut Au?enpolitik betreibt, jene Kultur- und Wissenschaftsau?enpolitik, die besonders wichtig wird, wenn das zust?ndige Ministerium dort nicht oder nicht mehr seinen Schwerpunkt setzt, aus welchen Gründen auch immer.
In der erw?hnten Festschrift schrieb mein verehrter Vorg?nger, Jürgen Mlynek, einen Beitrag unter dem Titel ?Klaus-Dieter Lehmann und die Humboldt-Universit?t“. Den k?nnte ich jetzt natürlich wiederholen (meint: variieren, nicht plagiieren!), erg?nzen, fortschreiben und mit eigenen Farbtupfern gleichsam nachkolorieren. Der zu Lobende würde es genie?en, die unter uns sitzenden Herausgebenden hoffentlich goutieren – aber m?glicherweise würden sie sich auch alle gr??lich langweilen, wenn erneut erz?hlt würde, wie ein leicht vermufftes Institut durchlüftet, eine Reformuniversit?t im Herzen des Landes reformiert, das gro?e Projekt am Schlo?platz gemeinsam mit Horst Bredekamp und dann auch Jürgen Brüning auf den Weg gebracht wurde. Doch wie sagte ich so sch?n: bis repetitio non placet, und nicht nur Mlyneks Beitrag bleibt lesenswert in dem Band ?Wissenschaft und Kultur in Bibliotheken, Museen und Archiven“ unter dem republikanischen Preu?enadler der zwanziger Jahre.
Mit der Reform der Reformuniversit?t sind wir so wenig an ein Ende gekommen wie mit dem Humboldt-Forum. Wie es mit beidem weitergeht, ist des Schwei?es der Edlen, der Senatoren wie der Berliner Altpr?sidenten wert. Macht deutlich: Lieber Herr Lehmann, wir k?nnen da und dort auf Ihren Rat nicht verzichten. Es mag ja eigennützig sein, wenn man zum Dank für guten Rat in der Vergangenheit nun offiziell zum Ratgeber inthronisiert wird, zum Senator ehrenhalber, lebensl?nglich Humboldt-Universit?t, nicht mit der üblichen Verfallsdauer einer Wahlperiode akademischer Gremien – aber wir k?nnen nicht anders und brauchen Sie hier in Berlin-Mitte, lieber Herr Lehmann und so ist unser Dank Ihre Verpflichtung. Das ist jetzt kein ins Deutsche transferierter Satz aus alten R?mertagen, sondern ein ganz und gar unbescheidener Ausweis der Dankbarkeit, den wir alle hier an der Universit?t Ihnen schulden und ich allzumal, lieber, verehrter Senator ehrenhalber.