Humboldt-Universit?t zu Berlin

Verlegung von 20 Stolpersteinen vor der Humboldt-Universit?t

Gru?wort am 3. Juli 2010

Zu den bewegendsten Ereignissen meiner knapp fünfj?hrigen Amtszeit geh?rt die Verleihung von Ehrendoktortiteln an zwei jüdische Studierende, die entweder gar nicht an unserer Universit?t studieren durften oder aber Hals über Kopf Berlin und seine Universit?t verlassen mussten, um Leib und Leben zu retten. Der eine ist wohl bekannt, ein gro?er Journalist und Literaturkritiker vor dem Herrn, der andere wird mindestens von Freunden der Literatur gekannt; jüngst widmete ihm ein Verlag noch einmal eine sch?ne, zweib?ndige Gesamtausgabe. Und weil sie beide so sch?ne, so unterschiedliche und doch in manchem vergleichbare Texte geschrieben haben, seien beider Namen genannt und nicht nur angespielt: Marcel Reich-Ranicki und Hans Keilsson. Hier hatte die Universit?t, hier hatte ihr Pr?sident das gro?e, das unverdiente, das bewegende Glück, Menschen noch die Hand schütteln zu k?nnen und ins Angesicht die Worte zu sagen, die an unserer Universit?t lange nicht über die Lippen kamen: Wir sch?men uns. Wir bitten um Entschuldigung. Wir wollen nicht vergessen, sondern aus der Desastergeschichte unserer Universit?t im zwanzigsten Jahrhundert lernen.

Aber es geh?rt zu dieser Desastergeschichte, da? wir uns bei vielen Betroffenen nicht mehr entschuldigen k?nnen, ihnen niemals mehr die Hand drücken dürfen, weil unsere Vorfahren das Desaster mit deutscher Gründlichkeit geplant und fl?chendeckend durchgeführt haben, auch mit Hilfe von Professuren dieser Universit?t - wenn es um diese Desaster geht, will pl?tzlich kaum jemand Rechtsnachfolger der alten Friedrich-Wilhelms-Universit?t sein - bei den Nobelpreistr?gern ist das schon anders. Wir stellen uns dieser Geschichte und erinnern an die, bei denen wir nicht mehr um Entschuldigung bitten k?nnen und auch nicht mehr nachholen k?nnen, was die entartete Wissenschaft vers?umt hat. Insofern danke ich für die wunderbare Initiative, Biographien von einstigen, ermordeten Studierenden zu recherchieren und ihnen einen Gedenkstein zu legen, über den wir stolpern und uns so erinnern, auch wenn wir eigentlich verdr?ngen wollten.

Jahr für Jahr führt die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" eine ganze Schar Studierender aus Deutschland, Israel, ?sterreich, Polen und Ungarn an die Humboldt-Universit?t, Jahr um Jahr entstehen spannende Projekte aus den Begegnungen in diesem Jahr. Das diesj?hrige Projekt ist besonders bemerkenswert und mir bleibt nur noch, ganz herzlich zu danken. Das Zeichen war überf?llig und es hilft uns, die noch liegengeblieben Aufgaben, die uns die Geschichte dieses Hauses eigentlich in jeder Sekunde vor die Fü?e legt, beherzt anzupacken. Es gibt noch mehr Biographien, die erinnert werden sollten und noch viele Gelegenheiten für Stolpersteine.

Vivant sequentes, wie unsere Universit?tsgründer gesagt h?tten.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t