Humboldt-Universit?t zu Berlin

Hauser?ffnung der "Humboldt Graduate School"

Gru?wort vom 21. April 2010

Drei paradiesische Wochen im vergangenen M?rz verbrachte ich als Stewart Visiting Fellow in Princeton, lieber Herr Senator Z?llner, lieber Herr Kollege Linscheid, meine Damen und Herren. Davon w?re heute eigentlich gar nicht zu erz?hlen, au?er vielleicht mit Worten des Dankes für die, die mir diese besondere Art Urlaub gestattet haben - wenn der Vizepr?sident für Haushalt und Technik erkrankt ist und man einen Teil seiner Aufgaben übernimmt, ist Erholung wichtig und wo erholt sich ein Wissenschaftler besser als beim Arbeiten? Mein erholsamer Arbeitsurlaub war aber für unseren heutigen Anla? einschl?gig, denn ich wohnte drei Wochen im Obergescho? des Garagenh?uschens des Deans der Graduate School der Universit?t Princeton. Und da eben dieser Dean, der in einem noch etwas eleganteren Haus wohnt, sich offenkundig Sorgen um die Ern?hrung des ohne Ehefrau angereisten deutschen Kollegen machte und dazu ein gro?artig gastfreundlicher Nachbar war, hatte ich Gelegenheit, ausführlich über die Princetoner Graduate School mit ihm zu sprechen. Und davon will ich in meinem Gru?wort berichten.

Natürlich kann man beide Einrichtungen nicht vergleichen. Princeton ist bekanntlich ?lter als die Humboldt-Universit?t und ein Beispiel dafür, da? nicht die ganze Welt am Reformmodell Humboldts genesen ist - der erste Graduate-Student der Universit?t war der vierte Pr?sident der Vereinigten Staaten und Vater der Bill of Rights, James Madison (1751-1836). Er studierte nach seiner Graduierung am damaligen New Jersey College 1771 ein Jahr zusammen mit dem ersten Pr?sidenten der Universit?t, dem schottischen Presbyterianerprediger John Witherspoon Hebr?isch (und ich verzichte auf die mindestens für den Theologen naheliegende Frage, was die amerikanische Verfassung, die Bill of Rights insbesondere und das Studium des hebr?ischen Alten Testaments wohl miteinander zu tun haben m?chten). Princeton ist ?lter auch im Blick auf seine Graduate School (die wurde n?mlich im Jahre 1900 gegründet), aber wir haben dafür definitiv das sch?nere Geb?ude, die alte Tierarzneischule des Architekten Ludwig Ferdinand Hesse aus den Jahren 1838 bis 1840, seit 1934 Geb?ude der Veterin?rmedizinische Fakult?t unserer Universit?t, die nach der Wende mit der entsprechenden Einrichtung der Freien Universit?t fusioniert wurde. Denn mit unserer Perle einer klassizistischen Dreiflügelanlage k?nnen die Kopien von Geb?uden Oxforder Colleges, die auf Initiative des sp?teren amerikanischen Pr?sidenten und vorherigen Princetoner Universit?tspr?sidenten Woodrow Wilson den Campus dieser amerikanischen Ivy League Universit?t zieren, nicht konkurrieren, obwohl vom Turm der Princeton Graduate School nicht nur eine herrliche Aussicht m?glich ist, sondern ein elegantes Carillon (zu Deutsch: Glockenspiel) dann und wann spielt.

Was ist Princeton Graduate School? Auf der Homepage stehen drei Prinzipien zu lesen, die die Entwicklung dieser Schule seit ihrer Gründung im Jahre 1900 pr?gen: "careful selection of candidates, latitude for the students in their programs of study, accessibility of the faculty, and willingness to experiment". Das, so scheint mir, w?ren auch feine Prinzipien für eine Humboldt Graduate School - die sorgf?ltige Auswahl der Promovierenden besorgen für uns die Mitgliedsprogramme, aber wenn wir auch individuell promovierende Studierende aufnehmen wollen (und das sollten wir), müssen wir auch für diese Verfahren entwickeln; "latitude", "Breite" (ich k?nnte auch übersetzen "Freiheit") im Studienprogramm sollten wir mit unserer HGS noch viel mehr herstellen. Im Augenblick bietet unsere Graduiertenschule an, was im gr??lichen Pseudoenglisch unserer Tage "soft skills" hei?t, also viele nützliche Kurse zu Karriereplanung, Technika guten Promovierens und so weiter und so fort. Aber eine Graduate School, die diesen englischen Namen sich wirklich verdient hat oder jedenfalls verdienen will, braucht inhaltliche Angebote eines Studiums Generale, eben "latitude", "Breite", damit zu "latitude" im Sinne von Freiheit erzogen werden kann. Hier ist noch allerlei zu tun, aber wir wollen es tun - nicht nur deswegen, weil ein neuer Exzellenzwettbewerb bevorsteht und wir es dafür tun sollten. Man mu? nur die Homepage einer Graduate School ausw?rts ansehen, um viele sch?ne Ideen für die Humboldt Graduate School zu generieren: eigene Stipendien, Fellows an der School, Austauschprogramme und Sprachkurse, ein gemeinsames Dinner dann und wann, Abendveranstaltungen mit spannenden G?sten und so weiter und so fort.


Eine Anregung will ich heute vielleicht noch geben, die nicht ganz selbstverst?ndlich ist und auf die Sie, verehrte Damen und Herren, ohnehin schon selbst gekommen sind oder bei Lektüre dieser und jener Homepage auch kommen k?nnten. Ich will auf den wundersch?nen Garten dieses Hauses hinweisen, der freilich unter den Bauarbeiten und Zeitl?uften der letzten Jahrzehnte arg gelitten hat. Es war einmal einer der sch?nsten G?rten dieser Stadt, der Gr?flich-Reu?sche Garten, der nach der Errichtung von Trichinentempel und Dreiflügelanlage in einen englischen Landschaftsgarten umgestaltet wurde. Reste sind vorhanden, jedenfalls für die, die ein Auge für solche Reste haben. Pflegen Sie, liebe Mitglieder der Humboldt Graduate School diesen Garten, kümmern Sie sich um ihn - er ist der College Garden dieses Hauses und wenn ich diesen Begriff nenne, wissen die, die ein College kennen, was er für eine Funktion für die Bildungsanstrengungen einer solchen Einrichtung hat. Wir er?ffnen ein pr?chtig saniertes Haus, aber es gibt durchaus noch etwas zu tun: Landscape Gardening im Garten der einstigen ?cole vétérinaire ist angesagt.


Eine letzte Bemerkung des Historikers im Pr?sidentenamt: Sie ahnen, lieber Herr Senator, meine Damen und Herren, wahrscheinlich gar nicht, welche Freude mir die ?bergabe dieses Hauses an die Humboldt Graduate School ist. 1957 er?ffnete die DDR nach dem Vorbild der Sowjetunion ein Staatssekretariat für Kirchenfragen, das - wenn ich richtig sehe - 1967 in dieses Geb?ude zog. Das Ziel des Staatssekretariates für Kirchenfragen war es, "jeden Versuch der Einmischung kirchlicher Stellen in staatliche Angelegenheiten, insbesondere in Schul- und Erziehungsfragen" zu unterbinden. Au?erdem sollten die Staatssekret?re überprüfen, ob die Gesetze und Verordnungen "noch dem gegenw?rtigen Stand der gesellschaftlichen Entwicklung in unserer Republik entsprechen." Kirchenvertreter sahen daher die Einrichtung als "Staatssekretariat gegen kirchliche Angelegenheiten" an, wie mein Kollege Johannes Wallmann einmal formuliert hat. Ich werde jetzt nicht die Diadoche der Staatssekret?re aufz?hlen, aber drei seien genannt: Hans Seigewasser, Klaus Gysi (1935 von unserer Universit?t relegiert) und - nach dem Beginn der Wende als letzter in der Reihe - Lothar de Maizière, der heute immer noch unser Nachbar ist. Damals lag das Geb?ude noch in der Hermann-Matern-Stra?e; an eine Rückbenennung in Luisenstra?e war nicht zu denken - das Büro des Staatssekret?rs ist heute eine Lounge mit Clubsesseln für promovierende Studierende, die sich in den R?umen im edlem stalinistischen Sp?tklassizismus herrlich lümmeln k?nnen, das ist auch eine Form demokratischer Vergangenheitsbew?ltigung durch ritualisiertes Vergessen. Vor 1967 residierte hier übrigens das Au?enministerium der DDR, bevor es mit dem Hochschulministerium in einen inzwischen auch schon wieder abgerissenen Neubau an der Spree zog, es mag uns daran erinnern, da? eine Humboldt Graduate School nur dann etwas werden kann, wenn sie zum einen so viel als m?glich ausl?ndische Promovierende aufnimmt, zum anderen aber ihr eigenes Profil durch Blick auf die erfolgreichen Vorbilder fortentwickelt. Von einem m?glichen ebenso gro?en wie noch weit entfernten Vorbild, Princeton, habe ich gesprochen. Andere w?ren zu nennen, aber dann h?tte ich kein Gru?wort gehalten, sondern eine programmatische Rede. Solche Rede und entsprechende Taten erwarten wir im Blick auf die Humboldt Graduate School von anderen - liebe Herren Sch?n und Trabant - und insofern schweige ich jetzt stille und füge zum guten Schlu? nur noch an, da? ich allen, die dieses Haus nutzen, von Herzen eine ersprie?liche Nutzung wünsche und denen, die diese Nutzung m?glich gemacht haben, von ganzem Herzen danke.


Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t