Er?ffnung der 11. Christlich-Jüdischen Sommeruniversit?t zu Berlin
Gru?wort vom 23.07.2007
Gern er?ffne ich die 11. Christlich-Jüdische Sommeruniversit?t, obwohl ich sie gar nicht besuchen kann. Denn ab morgen befinde ich mich in Kleinasien und – um genau zu sein – ab übermorgen in Sardes. In Sardes befindet sich mitten in einem gro?en Gymnasiumskomplex, dort, wo normalerweise Shops und Ruher?ume, Springbrunnen und kleine Versammlungsr?ume lokalisiert sind, eine gro?e jüdische Synagoge. Um es etwas flapsig zu formulieren: mitten in einem Einkaufs- und Bildungszentrum, wie man es an jedem Ort der kaiserzeitlichen Antike finden kann, steht eine gro?e jüdische Synagoge, wie man sie an kaum einem anderen Ort in so zentraler Lage finden kann. Diese geographische Situation im kaiserzeitlichen Sardes scheint mir ein wunderbares Gleichnis für das jüdisch-christliche Verh?ltnis, oder, um pr?ziser zu sein, für unser neues Bild vom jüdisch-christlichen Verh?ltnis in der griechisch-r?mischen Antike. Wir denken nicht mehr, wie ich es noch von meinen Lehrern gelernt habe, da? sich seit dem zweiten Jahrhundert Judentum und Christentum, mal schiedlich-friedlich, mal im harten Konflikt, als zwei Religionen getrennt haben, sondern wir nehmen inzwischen viel aufmerksamer wahr, da? es zwischen Judentum und Christentum nicht nur ein Auseinander und Gegeneinander, sondern auch ein hoch komplexes Ineinander und Miteinander gibt. Um nur einige der neuen Beobachtungen hier kurz anzudeuten: Wir nehmen immer deutlicher wahr, da? zwischen der sich entwickelnden Logostheologie des jungen Christentums und der Vorstellung von einer ?Memra Adonej“, vom Wort Gottes, eine enge Beziehung herrscht. Wir stellen aufmerksam fest, da? die aufregenden Ver?ffentlichungen von Textausgaben auf dem Gebiet der jüdischen Mystik, insbesondere der Hechalot- oder Merkaba-Mystik, von erheblicher Bedeutung für das Verst?ndnis der sich entwickelnden Gnosis und der christlichen Trinit?tstheologie sind. Und man mu? ja nur den Namen einiger Jerusalemer Kollegen wie den von Israel Yuval nennen, um sich klar zu machen, da? auch auf dem Gebiet der Luturgiegeschichte erregende Parallelen, Abh?ngigkeiten, aber auch Koinzidenzen entdeckt werden, ich nenne nur die gro?e Dissertation von Daniel Stoekl Ben Ezra über den Vers?hnungstag.Im akademischen Unterricht ist alles dies nur sehr partiell angekommen, sind die erregenden Ver?nderungen auf dem Gebiet der Beschreibung des Verh?ltnisses von Judentum und Christentum nur sehr partiell wahrgenommen worden. So k?nnen beispielsweise viele meiner Kollegen, die sich mit antikem Christentum besch?ftigen, gar nicht genügend Hebr?isch, um rabbinische Texte zur Kenntnis zu nehmen und kennen auch keine Judaisten, die ihnen dabei helfen k?nnten. Und die alten Sammelwerke, in die früher wenigstens einige hereingeschaut haben, sind als so problematisch eingesch?tzt worden, da? man sie kaum guten Gewissens mehr verwenden kann – in Peter Sch?fers wunderbare Hekhalot-Synopse mu? man eben selbst hereinschauen und wird dann vermutlich auch entdecken, da? es eine ebenso wunderbare deutsche ?bersetzung gibt, wie die meisten rabbinischen Texte in moderne Fremdsprachen übertragen worden sind und gute kritische Textausgaben zur Verfügung stehen. Und angesichts dieser Lage ist es natürlich überaus erfreulich, da? es eine christlich-jüdische Sommeruniversit?t in Berlin gibt, weil sie dabei hilft, einschl?gige Kenntnisse an deutschen Fakult?ten auszubreiten und zu befestigen.
Sie besch?ftigen sich auf dieser 11. Christlich-Jüdischen Sommeruniversit?t mit dem Monotheismus. Ich besch?ftige mich auch mit dem Monotheismus, selbst wenn ich morgen von Berlin fortfahre und – wie gesagt – an Ihrer Sommeruniversit?t nicht teilnehmen kann. Ich meine jetzt, wenn ich von Besch?ftigung mit Monotheismus spreche, nicht die Tatsache, da? ich immer wieder einmal mit Herrn Assmann über Monotheismus diskutiert habe und von daher manche der Diskussionsg?nge im Schlaf wiederholen k?nnte, nein. Ich befinde mich gerade in den letzten Zügen einer Neuausgabe des Buches ?Heis Theos“ von Erik Peterson, einer 1926 publizierten Monographie, die sich mit der Geschichte der Formel ?Heis Theos – ein einziger Gott“ besch?ftigt und Belege dieser Formel auf Inschriften, in Texten und in Kunstwerken der Antike mit Bemühung um absolute Vollst?ndigkeit sammelt. Ich habe in den letzten Jahren versucht, diese Sammlung a jour zu bringen und weitere Belege zu finden. Diese Suche ergab den überraschenden Befund, da? jene Formel in den verschiedensten Religionen und Religionsformen der Antike belegt ist: Wenn man sich in das Gebiet des Golan begibt, dann finden sich dort Türstürze jüdischer H?user mit der Inschrift ?Heis Theos“ und sie dienen als Hausmarken, um diese jüdischen H?user von christlichen und heidnischen abzugrenzen, die diese Hausmarke nicht hatten. Wandert man nicht einmal hundert Kilometer weiter ?stlich in den Hauran, dann dient dieselbe Formel den christlichen H?usern zur Abgrenzung von jüdischen und heidnischen. Und begibt man sich nicht einmal hundert Kilometer weiter westlich zu der politisch nicht ganz unproblematischen Ausgrabung auf der Spitze des Garizim, oberhalb von Nablus, dann finden sich dort in den Bodenplatten weit über siebzig bislang noch nicht publizierte griechische Inschriften, die die Formel ?Heis Theos“ enthalten. Sie sind ?berreste des samaritanischen Heiligtums, die in der justinianischen Marienkirche wiederverwendet wurden, und den samaritanischen Pilgern als Erkennungszeichen und damit zur Abgrenzung von Juden, Christen und Heiden dienten. F?hrt man dann an die Küste nach Aschkalon und hat etwas Glück, so findet man einen Meilenstein, den der Kaiser Julian setzen lie?, um für seine Form einer neuen Einheitsreligion im 4. Jahrhundert zu werben – und selbstverst?ndlich enth?lt der Meilenstein die Formel ?Heis Theos – ein einziger Gott“. Was lehrt diese Beobachtung an den inschriftlichen Belegen der Formel Heis Theos? Sie lehrt, da? sich unter dem Stichwort Monotheismus in der Antike sehr Verschiedenes verbergen konnte. Sehr Verschiedenes im Judentum, Christentum, Samaritanertum und in einem philosophischen Neuplatonismus einer Kunstreligion. Mir scheint es von daher sehr wichtig, da? wir in der gegenw?rtig so verbreiteten Monotheismusdebatte nicht einfach und stets immer nur von ?Monotheismus“ reden, als ob es sich dabei um einen fest umrissenen Terminus handeln würde, sondern auf die Unterschiede und Differenzen achten, sehr sorgf?ltig nach Ort und Zeit und Kontext fragen, auch danach, wie bestimmte theologische Konzepte in der Fr?mmigkeit der jeweiligen Anh?ngerschaft angekommen sind. Und so wünsche ich Ihnen für Ihre Sommeruniversit?t, da? sie nicht einfach die – oft etwas plakativen – Debatten über Recht und Grenze des Monotheismus wiederholt, sondern ihr Bild Tiefensch?rfe und Buntheit gewinnt, damit wir aus der st?ndigen Wiederholung derselben Diskussionslagen m?glichst bald herauskommen. Sie ahnen, insbesondere nach meinen letzten Bemerkungen, wie gern ich bei Ihnen w?re, ich werde mich aber praktisch um eine buntere Kenntnis des Monotheismus bemühen und in Kleinasien weitere Belege der inschriftlichen Formel ?Heis Theos“ mit meinen Studierenden suchen. In Sardes gibt es eine.
Ein wenig kann ich auch verschmerzen, da? ich dieses Jahr nicht
ausführlicher an Ihren 三亿体育·(中国)官方网站 teilnehmen kann – denn die 11.
Christlich-Jüdische Sommeruniversit?t war bestimmt nicht die letzte,
sondern steht in einer anregenden und stolzen Kette von
三亿体育·(中国)官方网站, die gewi? fortgesetzt wird. Für dieses Mal, für die
11. Sommeruniversit?t, wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute,
anregende, erholsame und spannende Tage in Berlin, der ganzen
Sommeruniversit?t einen guten Verlauf, seien Sie herzlich
willkommen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t