Humboldt-Universit?t zu Berlin

?ffentliche Vorstellung der Hugo Preu? Edition Band I

Gru?wort des Pr?sidenten am 8. Juni 2007

Verehrte Frau Schmaltz-Jacobsen, verehrte Herren Kollegen Albertin und Müller, lieber Herr Langewiesche, lieber Herr Siebeck, meine sehr verehrten Damen und Herren,

auch ein Theologe im universit?tsleitenden Amt kennt Hugo Preu?. Und sch?tzt ihn. Und freut sich deswegen, eine Veranstaltung anl??lich der Publikation des ersten Bandes seiner Gesammelten Schriften mit einem Gru?wort zu er?ffnen, allzumal, wenn der Band in demjenigen Tübinger Verlag erschienen ist, der schon mehrere meiner eigenen Ver?ffentlichungen nobel betreute und nun auch den heute vorzustellenden Band in gewohnt pr?ziser wie ?sthetisch ansprechender Form herausgebracht hat.

Ich freue mich über die Gelegenheit zu einem Gru?wort aber nicht nur deswegen, weil es ein regelrechtes Vergnügen ist, sich auf diesen gro?en liberalen Denker zu besinnen und in den gesammelten Schriften jenes ersten Bandes, der heute vorgestellt wird, zu lesen. Und ich denke bei dem Namen Hugo Preu? auch nicht nur an die bekanntlich untersch?tzte Weimarer Reichsverfassung und als Theologe auch nicht nur an in der Verfassung formulierten Bestimmungen über das Verh?ltnis von Staat und Kirche, die bekanntlich in das Grundgesetz übernommen wurden. Nein, als Pr?sident dieser Universit?t erinnere ich mich zun?chst einmal daran, da? die Friedrich-Wilhelms-Universit?t, in deren Rechts- und Traditionskontinuit?t wir hier an der Humboldt-Universit?t stehen, Hugo Preu? zwar 1889 habilitierte, aber dem jüdischen Gelehrten eine ordentliche Professur über lange Zeit verwehrte. Man setzte den brillanten Staatsrechtler zwar als Privatdozenten für Lehrt?tigkeiten ein, aber in die Reihen der deutschen Mandarine lie? man ihn nicht aufsteigen. Sie wissen es alle: Zweimal bewarb sich Preu? hier auf eine au?erordentliche Professur und selbst für diese nachgeordnete Position lehnte man ihn ab; Professor wurde er schlie?lich 1906 an der Berliner Handelshochschule, einer Stiftung des Verbandes der Berliner Kaufleute, die erst nach 1945 ein Teil der Alma Mater Berolinensis wurde und sehr bewu?t diskriminierte jüdische Gelehrte in ihr Kollegium berief. Unsere Universit?t hat aber noch sehr viel mehr Schuld auf sich geladen: Drau?en vor der Tür erinnert Micha Ullmanns eindrückliches Denkmal einer leeren Bibliothek auf dem Bebelplatz daran, da? am 10. Mai 1933 nach der Antrittsvorlesung eines P?dagogen Studierende dieser Universit?t auch Schriften von Hugo Preu? in jene Flammen warfen, die zugleich auch Grundwerte einer liberalen Gesellschaft verzehrten. Heute darf diese Universit?t trotz ihrer schweren Schuld gegenüber Hugo Preu? Gastgeber einer Pr?sentation seiner gesammelten Schriften sein; sie kann es aber nur dann aufrichtig sein, wenn sie den einst abgelehnten Staatsrechtler nun nicht einfach mit anderen Professoren der Handelshochschule zu den Prominenten ihrer Fakult?t für Wirtschaftswissenschaften z?hlt, sondern sich darum bemüht, Gedankengut von Hugo Preu? hier heimisch werden zu lassen und heimisch zu halten. Um ?antiquarische Geschichtsschreibung“ kann es im Blick auf Preu? an dieser Universit?t tats?chlich nicht gehen, wie unser Absolvent und Bundestagsvizepr?sident Wolfgang Thierse in seinem Geleitwort zum ersten Band schreibt.

Ein Kirchenhistoriker, der sich haupts?chlich mit der Antike besch?ftigt, ist nun gewi? nicht kompetent, sich zu den Beitr?gen zu ?u?ern, die im ersten Band der gesammelten Schriften abgedruckt sind. Manches verr?t deutlich den Kontext des wilhelminischen Kaiserreiches und da bedarf es eines klugen Zeithistorikers, um diesen Kontext verst?ndlich zu machen. Das gilt sicher auch für den Beitrag über das ?Schuldbuch englischer Fr?mmigkeit“ von 1914. Aber dem Theologen im Pr?sidentenamt ist wichtig, da? Hugo Preu? schon 1885 darauf aufmerksam machte, da? nicht jede Form von Religion für den liberalen Verfassungsstaat tauglich ist. In seinem Beitrag ?Die zwiesp?ltige Haltung der Zeit gegenüber der Religion“ von 1885 kritisiert er mit scharfen Worten eine Kirche und Theologie, die sich nicht auf den Geist der Aufkl?rung eingelassen will und lediglich eine vormoderne Orthodoxie zu bewahren sucht. Gegenw?rtig wird nicht nur unter Juristen die Frage diskutiert, ob islamischen Gemeinschaften der Status einer ?ffentlich-rechtlichen K?rperschaft zukommt und diese Gemeinschaften theologische Fakult?ten an staatlichen Universit?ten er?ffnen und Religionsunterricht an staatlichen Schulen halten sollen. Ich mu? sicher nicht lange ausführen, da? angesichts solcher Debatten die Gedanken von Hugo Preu? im genannten Beitrag h?chst aktuell sind: Welche Mindeststandards darf ein demokratischer Verfassungsstaat von Religionsgemeinschaften und ihren Theologien fordern, bevor er ihnen die Privilegien anbietet, die die von Hugo Preu? entworfene Weimarer Reichsverfassung für Religionsgemeinschaften vorsieht, wenn diese sie in Anspruch nehmen wollen? An der Aktualit?t von Hugo Preu? ist, wie dieses Beispiel zeigt, auch aus der Perspektive eines Theologen nicht zu zweifeln.

Am morgigen Sonnabend, wird im Rahmen der ?langen Nacht der Wissenschaften“ am traditionsreichen Hauptgeb?ude unserer Universit?t erstmals eine Installation pr?sentiert, die auf das gegenw?rtig laufende ?Jahr der Geisteswissenschaften“ aufmerksam machen soll. Dabei werden nach einer Idee des Schweizer Künstlers Felice Varini wei?e Farbfl?chen so an Geb?uden angebracht, da? sie nur von einem einzigen, bestimmten Punkt als Buchstaben erkennbar sind. Verl??t man diesen Standpunkt, zerf?llt der Buchstabe in eine abstrakte und unzusammenh?ngende Ansammlung von Fl?chen. Eine Informationstafel weist den Betrachter auf den optimalen Standort hin und erl?utert den Bezug des jeweiligen Begriffes zu den Geisteswissenschaften. An Ministerien der Stadt sind bereits die Buchstaben ?E“ wie ?Europa“ und ?K“ wie ?Kommunikation“ angebracht, morgen abend beginnt an der Vorderfassade die Installation des Buchstabens ?V“ wie ?Vorausdenker“. Wie man auch immer über die Idee eines Wissenschaftsjahres für die Geisteswissenschaften und über den Einfall für den Betrachter zerbr?selnder Buchstaben denken mag – mir scheint die Installation ein vorzügliches Gleichnis für unseren Umgang mit Hugo Preu? zu sein. Er ist n?mlich ein Vorausdenker, Vorausdenker des liberalen Verfassungsstaates, Vorausdenker eines Verfassungspatriotismus und einer auf Gemeinschaft hin orientierten Bestimmung von Freiheit. Aber sein Bild ist zerbr?selt wie ab morgen der Buchstabe an der Hauptfassade unseres Hauptgeb?udes. Nur von einem bestimmten Standpunkt aus erkennen wir, da? Hugo Preu? ein zentraler Vorausdenker für die Form von Gesellschaft ist, die in diesem Land nach 1919 und dann noch einmal nach 1945 realisiert worden ist. Diese offene Gesellschaft war nicht nur in der Weimarer Republik bedroht, sie ist immer wieder durch verschiedenste Gruppen und Interessen bedroht. Indem eine Universit?t an die Vorausdenker der offenen Gesellschaft erinnert und diese Erinnerung in der ?ffentlichkeit pr?sent h?lt, leistet sie ihren spezifischen Beitrag zur Erhaltung eben dieser offenen Gesellschaft.

Unsere Universit?t steht, ich sagte es, in der Schuld dieses gro?en Vorausdenkers und wird ihrer Schuld nur dann gerecht, wenn sie sich um das Ged?chtnis von Hugo Preu? und die zeitgem??e Transformation seiner Ideen eines liberalen Rechtsstaates bemüht. Und deswegen danke ich der Hugo-Preu?-Gesellschaft und den Herausgebern sehr herzlich dafür, da? sie sich der Mühe unterzogen haben, eine Ausgabe der gesammelten Schriften zu unternehmen und diese heute nun in unserem Hause pr?sentieren. Und bedauere noch einmal, da? ich nicht selbst diese Worte vortragen konnte und dem Festakt beiwohnen kann, dem ich einen ebenso anregenden wie feierlichen Verlauf wünsche. Vielen Dank.

Prof. Dr. Dr. h.c. Christoph Markschies
Pr?sident der Humboldt-Universit?t