Humboldt-Universit?t zu Berlin

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Wissenschaftskommunikation im ?ffentlichen Raum – welche Rollen spielen die Universit?ten?

Begrü?ung anl?sslich der Tagung ?Wissenschaftskommunikation im ?ffentlichen Raum“ am 12. April 2007

Wenn der Titel einer Tagung eine Frage enth?lt – wie beispielsweise in der Formulierung: ?Wissenschaftskommunikation im ?ffentlichen Raum: Welche Rolle spielen die Universit?ten?“ ist es, meine sehr verehrten Damen und Herren, keine gute Idee, wenn in einem Gru?wort versucht wird, die Frage gleich zu beantworten. Also in unserem Falle der Pr?sident der Humboldt-Universit?t zu Berlin, der die Ehre hat, das veranstaltende Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik zu den Zimelien seiner Einrichtung zu z?hlen, Erw?gungen zur Rolle der Universit?ten bei der Wissenschaftskommunikation im ?ffentlichen Raum vortr?gt. Sie k?nnten nach Lage der Dinge und angesichts der für ein Gru?wort charakteristischen Kürze ohnehin nur in der Trivialit?t bestehen, da? die Rolle der Universit?ten schon ganz gut ist, die der Humboldt-Universit?t natürlich besonders, aber durchaus noch steigerungsf?hig ist. Nein, meine Damen und Herren, die Titelfrage Ihrer Zusammenkunft müssen Sie auf Ihrer Zusammenkunft schon selbst beantworten. Da kann und will ich nicht helfen.

Da mir aber ein liebenswürdiger Journalist vor einigen Wochen in einer Berliner Lokalzeitung bescheinigt hat, ich sei als Kirchenhistoriker ausschlie?lich an der Vergangenheit interessiert und h?tte keinerlei Ideen für die Gegenwart der Universit?t, füge ich mich wenigstens für dieses Gru?wort in die mir da zugeschriebene Rolle und frage, welche Rolle Universit?ten bei der Wissenschaftskommunikation im ?ffentlichen Raum schon gespielt haben und konzentriere mich auf meine eigene, fast zweihundertj?hrige Einrichtung – ich meine n?mlich ganz unbescheiden, da? es an der Berliner Universit?t eine Tradition gibt, die für die Leitfragen der Tagung, zu der Sie sich versammeln, von gewichtiger Bedeutung ist: Wenn Sie in den n?chsten beiden Tagen nach der Relevanz von Wissenschaftskommunikation, nach bisherigen Projekten und Erfahrungswerten, geeigneten Strategien sowie nach den M?glichkeiten, den Dialog mit der Gesellschaft zu intensivieren, fragen wollen, dann setzen die sechzehn Kosmos-Vortr?ge, die Alexander von Humboldt im gro?en Saal der Singakademie am Festungsgraben vom 6. Dezember 1827 bis zum 27. April 1828 vor mehr als achthundert Besuchern hielt, Ma?st?be, an denen man sich noch heute orientieren kann. Da? damals im frisch fertiggestellten Geb?ude der Singakademie mehr als die H?lfte des Auditoriums aus Frauen bestand, war ebenso ungew?hnlich wie die Tatsache, da? sich nicht nur der spr?de K?nig Friedrich Wilhelm III. in das Geb?ude bemühte, sondern auch einige Maurermeister unter den Zuh?rern sa?en, wie Humboldt selbst bezeugte. Die Reaktionen auf die Vortr?ge waren so begeistert, da? man angesichts oft deutlich magerer Reaktion auf eigene Referate am Wahrheitsgehalt der Beschreibungen zweifelt: ?Nie habe ich einen Menschen in anderthalb Stunden so viele und interessante und neue Ansichten und Tatsachen vortragen geh?rt“ (Freiherr von Bunsen); ?Achthundert Menschen atmen kaum, um einen zu h?ren. Es gibt keinen gro?artigeren Eindruck, als die irdische Macht zu sehen, wie sie dem Geiste huldigt; und schon deshalb geh?rt Humboldts jetziges Wirken in Berlin zu den erhebendsten Erscheinungen der Zeit“ (von Holtei). Für den Wahrheitsgehalt der Goethe zugeleiteten Beschreibungen Holteis, der damals Dramaturg am K?nigsst?dtischen Theater am Alexanderplatz war, spricht die von Lea Mendelssohn Bartholdy mitgeteilte Beobachtung aus einer Vorlesung, da? in ihrem Verlauf nur zwei Menschen ohnm?chtig herausgetragen worden seien – wenn kaum geatmet wird, um den einen zu h?ren, ist dies in der Tat eine erstaunlich niedrige Quote. Natürlich darf man, wenn man fragen will, was an diesem ersten Versuch von ?Science goes public“ ma?stabsetzend war, nicht nur die Begeisterten fragen. Sondern mu? auch auf die Sp?tter blicken. Moritz Saphir, seines Spotts wegen gefürchtet, schrieb im Berliner Courier: ?Der Saal fa?te nicht die Zuh?rer, und die Zuh?rerinnen fa?ten nicht den Vortrag“. Gut, ?u?erlichkeiten und Geh?ssigkeiten. Was bleibt ma?stabsetzend an diesen ersten Versuchen, Wissenschaft in eine gr??ere ?ffentlichkeit zu bringen? Zun?chst der Versuch von Verdichtung: Fünf Jahre Südamerika und viele weitere Reisen verdichtet auf sechzehn Vortr?ge. Diese Form der Verdichtung bleibt ma?stabsetzend, vielleicht pointierter: in Zeiten neuer Unübersichtlichkeit und pernizi?ser Spezialisierung besonders herausfordernd. Ohne energische Anstrengungen von Verdichtung wird jeder Versuch von Wissenschaftskommunikation in der Gegenwart kaum achthundert, tausend Zuh?rer in die Singakademie und anderswohin locken. Ich versage mir, diese Verdichtung jetzt noch n?her zu analysieren, beispielsweise auf die besonderen Formen der Verdichtung durch Bildern und Graphiken in den Ver?ffentlichungen Alexander von Humboldts einzugehen, auf seine Transmedialit?t, wie Otmar Ette glücklich formuliert hat, und komme auf einen zweiten Punkt der Ma?st?blichkeit der Kosmos-Vorlesungen.?

Ma?stabsetzend bleibt an den Kosmos-Vorlesungen sodann der Versuch, über das disziplin?re Wissen hinaus, über Botanik, Zoologie, Mineralogie, Geologie, Geographie, Ethnologie, Geschichts- und Sprachwissenschaft hinaus, zu einer Synthese spezialwissenschaftlicher Erkenntnis vorzusto?en und der ?ffentlichkeit einen Blick aufs Ganze zu pr?sentieren, Besonders und Allgemeines, Sinnlichkeit und Abstraktion zu synthetisieren. ?Ich habe“, schreibt Humboldt in seinem 1845 bis 1865 publizierten Werk ?Kosmos“, das auf den Vorlesungen aufbaute und 87 000 mal gedruckt wurde, ?den tollen Einfall, die ganze materielle Welt, alles, was wir heute von den Erscheinungen der Himmelsr?ume, von den Nebelsternen bis zur Geographie der Moose auf den Granitfelsen wissen, alles in Einem Werke darzustellen, und in einem Werke, das zugleich in lebendiger Sprache anregt und das Gemüt erg?tzt“. Die ganze Welt in einem Buch oder, mit den traditionsreichen Worten, die Humboldt bemüht: ?Die Natur ist für die denkende Betrachtung Einheit in Vielfalt, Verbindung des Mannigfaltigen in Form und Mischung“. Ist das wirklich noch ma?stabsetzend? Der Wissenschaftsrat hat jüngst festgestellt, da? die Vorstellung von der Einheit der Wissenschaft, die im neunzehnten Jahrhundert und insbesondere bei den Gründerv?tern der Humboldt-Universit?t zu den schlechterdings basalen wissenschaftstheoretischen Grundannahmen geh?rte, heute keine Rolle mehr spiele. Aber hilft der ?ffentlichkeit eine Pr?sentation der in zwei Kulturen gespaltenen Universit?t? Der wechselseitigen Ignorantia von Geistes- wie Naturwissenschaftlern? Alexander von Humboldt besuchte in der Berliner Universit?t noch im vorgerückten Alter chemische wie klassisch-philologische Vorlesungen; vielleicht w?re die Wissenschaftskommunikation der Universit?ten noch erfolgreicher, wenn sich auch noch heutigentags Chemiker in klassisch-philologische Vorlesungen et vice versa verirren würden. Der Potsdamer Literaturwissenschaftler und Humboldt-Editor Ottmar Ette hat der Humboldtschen Wissenschaft gerade wegen dieses Interesses an der Einheit der Wissenschaft, am ?Weltbewu?tsein“, wie Humboldt sagt, eine Relevanz im Netzzeitalter bescheinigt. Das liest der Pr?sident der Humboldt-Universit?t zu Berlin natürlich gern.

Schlie?lich bleibt an den Kosmos-Vorlesungen ma?stabsetzend der entschlossene Versuch, spannend zu werden und durch die Pr?sentation Faszination auszul?sen. Im Jahr der Geisteswissenschaften, in dem wir uns gerade befinden, zeigt sich wieder, da? staatstragende Reden über die Bedeutung der Geisteswissenschaften für die Bewahrung des christlichen Abendlandes wenig nützen und kaum Begeisterung ausl?sen. Geisteswissenschaftliche Forschung wird nur dann in einer breiten ?ffentlichkeit für bedeutsam gehalten, wenn sie fasziniert. Die drei Kilo schwere, erneute Publikation des Humboldtschen Kosmos-Werkes, die Hans Magnus Enzensberger und Franz Greno im September 2004 vorlegten, ist im Grunde ein Beispiel für solche Faszination. Ein unverwartet gro?es Medienecho war die Folge, Alexander von Humboldt erschien auf einem Titelbild des Nachrichtenmagazins ?Der Spiegel“ und die ?Welt“ titelte ?Neue M?nner braucht das Land“ und hatte in Humboldt den Prototyp dieses neuen Mannes gefunden. Enzensberger hatte es vermocht, für Humboldt zu faszinieren, so wie Humboldt es einst vermocht hatte, für Ergebnisse seiner Forschungen zu faszinieren.

Nun bin ich doch am Ende meines Gru?wortes wieder bei etwas unendlich Trivialem gelandet: Unaufgebbar für die erfolgreiche Wissenschaftskommunikation der Universit?ten ist Pers?nlichkeit, ist die entsprechende Pers?nlichkeit des Wissenschaftlers, die Faszination zu wecken vermag. Davon lese ich in den hochschulpolitischen Texten der Verantwortlichen, aber auch der Journalisten gegenw?rtig herzlich wenig. Vielleicht liegt hier eines der Probleme der Wissenschaftskommunikation im ?ffentlichen Raum, das Sie auf Ihrer Tagung bedenken k?nnen, bedenken sollten. Denn in der Ausbildung von Pers?nlichkeit liegt doch wohl eine zentralen Aufgaben der Universit?t, hier spielt sie ihre zentrale Rolle, die ihr erst erm?glicht, Rollen in der Wissenschaftskommunikation zu übernehmen. Ihrer Tagung wünsche ich schon aus ganz ureigenem Interesse an der ?ffentlichkeitswirkung universit?rer Forschung einen guten Verlauf.